Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
der Neandertaler. Wie auch immer, das ganze Ding wirkt, als wenn es von Menschenhand gemacht sei, so filigran und so kunstvoll steht es hier und zeichnet sich so deutlich von der übrigen Natur ab.
Als wir den Wald verlassen, stehen wir vor einer großen, gelben Rapswiese, in die ein Muster aus rotem Mohn gewirkt ist, darüber der blaue Sommerhimmel. Ein atemberaubendes Bild, wie ein Gemälde von Claude Monet. Lerchen stehen darüber und jubilieren. Ihr heller, feiner Gesang ist so licht wie der Sommer. Die Luft ist erfüllt davon.
Das Dorf liegt ruhig da. Die Leute sind arbeiten, die Kinder in der Schule und die Touristen, die mit Bussen zur Steinernen Rinne gekarrt werden, noch unterwegs.
Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein und genießen im Garten des Lokals ein Frühstück nach unseren Wünschen: Rührei mit Schinken und alles andere obendrein. Die Wirtin, eine warmherzige, freundliche Frau, kümmert sich wie eine Mutter um uns, erkundigt sich, ob’s schmeckt, schenkt Kaffe nach und freut sich über unseren Appetit.
Die Pause ist bitter nötig. Nichts ist verheerender auf einer Wanderung als Müdigkeit – außer Blasen, die nicht richtig verheilen. Man kommt nicht in Schwung und schlurft lustlos durch den Tag, stolpert über Baumwurzeln oder Steine, der Rucksack drückt und jeder Hügel ist wie ein Berg. Nach jeder kleinen Pause will man nicht wieder los und setzt sich dann doch seufzend in Bewegung, um schon nach wenigen Metern sich am liebsten wieder hinzuschmeißen. Es fällt einem alles unendlich schwer, und man kann sich an nichts erfreuen.
Nach einer guten Stunde raffen wir uns auf und verlieren uns wieder in den weiten Wäldern der westlichen Fränkischen Alb. Wir laufen jetzt auf dem Altmühltal-Panoramaweg weiter Richtung Westen, nach Spielberg, einem Ort mit einer alten Festung. Gut zehn Kilometer werden es sein, nur über Felder und Wiesen und durch weite Wälder.
Der Rucksack ist schwer, zwei Liter frisches Wasser sind im Tank. Wir werden’s brauchen, die Sonne steigt, der Tag wird wieder heiß werden.
Im Wald weht uns der schwache Geruch von Bärlauch an, die Schwüle senkt sich unter die Bäume, Insekten tanzen in den weichen Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fallen.
Hier lässt es sich aushalten, doch gegen Mittag erreichen wir den Waldrand. Der Weg führt nun in eine ungeschützte Senke. Die Hitze, gepaart mit Schwüle, ist mörderisch. Alle paar Minuten müssen wir trinken und schwitzen doch alles gleich wieder aus. Bremsen attackieren uns, die Stiche brennen, ständig bücke ich mich, um an meinen Waden zu kratzen. Wir stoppen und reiben uns mit Autan ein. Für die Augen ist das nicht gut. Der Schweiß, der ohnehin schon genügend Schwierigkeiten macht, schwemmt das Zeug auf die Bindehaut, ich kann kaum noch kucken. Das Schweißtuch ist klitschnass, ständig muss ich es auswringen, und meine Wandershorts sind an der Innenseite der Hosenbeine und von der Lende bis zum Gesäß völlig durchgesuppt. Gut sieht das nicht aus, aber wir begegnen ja auch niemandem. Zu guter Letzt fange ich mir noch einen Wolf ein. Halleluja: Die Waden jucken, die Augen sind dick und schmerzen, die Kimme brennt, der Schädel ist geschwollen wie ein gegorener Kürbis, in den Schläfen pocht ein nagender Schmerz, und die Füße kochen in den Stiefeln. Zur Hölle mit der Hitze.
Nach einer quälenden Steigung erreichen wir erschöpft den Waldrand und stoßen auf eine Quelle, daneben eine schattige Bank – als ob der Herrgott uns hergeführt hätte.
Das Wasser quillt aus einer Felsspalte und sprudelt in ein kleines Becken, bevor es sich weiter auf den Weg macht. Welch eine Wonne, die zur Schale geformten Hände hinein zu tauchen, das köstliche, kühle Nass aufzunehmen und ins Gesicht zu reiben oder über den Kopf zu schütten – wieder und wieder. Zum Schluss ziehe ich das ausgewaschene, triefende T-Shirt über den dampfenden Oberkörper und lege mir das klatschnasse kalte Schweißtuch über den Kopf. Dann hauen wir uns auf die Bank, lassen die Arme hängen, strecken die Beine aus, sind barfuß.
Das flache Tal vor uns ist in Dunst gehüllt, den Himmel kann man nicht mehr ausmachen.
Wir sagen nichts und denken nichts, und in diese Stille hinein poltern plötzlich Stimmen, unerwartet und laut, gerade als ich pinkeln will. Schon stehen sie vor uns – zwei Frauen, zwei Männer –, Rentner. Hastig ziehe ich den Reißverschluss hoch.
„Hallo, wo kommt ihr denn her? Ihr seid ja bepackt wie
Weitere Kostenlose Bücher