Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns
Geräusch verhallt und sich in den Rissen und Ritzen des Gemäuers verkriecht.
Draußen hämmert die Hitze wieder auf uns ein und drückt uns gegen den Boden. Martin geht vor mir, die Schirmmütze mit dem langen, lappigen Nackenschutz tief ins Gesicht gezogen.
Wir erreichen den Landgasthof. Gott sei Dank, er hat geöffnet. Ein kleiner dunkler Raum, eher ein Stube mit einem schmalen Tresen ist alles, was er zu bieten hat. Darin hocken zwei Männer über ihrem Bier. Der eine mit Tränensäcken wie Maultaschen und einem feuerroten Auge, der andere mit einem Gesicht wie der Tod – bleich, knochig, tief eingefallene Wangen. Müde Blicke treffen uns, und auf die Frage nach der Wirtin heißt es nur knapp: „Wird schon kommen.“
Irritiert gehen wir durch eine halbgeöffnete Tür auf den Hinterhof. Hier stehen zwei Tische, einige Plastikstühle und ein Sonnenschirm. Es riecht nach Stall, auf einem der Tische ein Pulk Schmeißfliegen über Essensresten.
Wir zögern, ob wir uns niederlassen sollen. Aber Hunger und Durst lassen uns keine Wahl. Wenige Meter gegenüber der Tür zum Gastraum, direkt neben uns, erhebt sich ein ehemals weißgetünchtes Gebäude. An der uns zugewandten Seite sind unter dem Dach schmale Fenster eingelassen, deren Scheiben gekippt sind. Man hört das Poltern und Muhen der Kühe, und die Luft ist zum Schneiden.
Donnerwetter, haben wir jetzt die Urmutter aller Landgasthöfe entdeckt – auf einem Hof, neben einem Stall, in einem ehemaligen Wohnzimmer samt Terrasse, im tiefsten Franken? Jetzt sind wir mal gespannt auf die Wirtin!
Und da tritt sie aus der Tür. Eine Bäuerin, Mitte 40: Holzpantoffeln, fleckige Jeans, eine ebenso fleckige blaue Schürze, ein schwarzes T-Shirt, sonnengebräunte, muskulöse Arme und ein freundliches Lächeln im Gesicht. Ein Engel aus dem Kuhstall.
„Na, meine Herren, wollt’s was trinken und essen?“
„Ja, wollen wir, gerne sogar!“
Ihr Gesicht ist von herber Schönheit, die Augen strahlen lebenslustig, und als sie auf uns zutritt, tut sie es selbstbewusst und stolz.
Kuck an, das ist mal eine Überraschung.
„Wo kommt’s denn her mit eure Rucksäcke?“
Als sie die Geschichte hört, wächst ihr Interesse. Sie setzt sich, mustert erst mich und dann Martin.
„Ihr beide zusammen und das geht?“
Sie hat wohl sofort bemerkt, dass wir ziemlich verschieden sind.
„Meistens schon, sonst wären wir nicht zusammen hier“, entgegne ich.
Sie lächelt. „Na, denn reich’ ich euch mal was Kräftiges. Ich hab’ eine hausgemachte Leberknödelsuppe.“
„Ach – gibt’s sonst noch was?“, frage ich geschockt.
„Nein – wieso? Die schmeckt gut und macht satt!“
„Ausgerechnet Leberknödelsuppe. Die kann ich echt nicht mehr sehen!“, stöhne ich.
„Warten S’ doch ab, die ist anders als alle, die Sie bisher gegessen haben. Was ist nun, wollen Sie?“
„Aber klar, wenn Sie sie zubereiten“, säuselt Martin und entscheidet die Sache.
„Und zu trinken?“
„Zwei Apfelschorlen, bitte!“ Martin hat die Regie übernommen.
Wenig später stehen zwei dampfende Teller vor uns. Darin – in einer Gemüsebrühe – drei dicke Knödel, so groß wie Tennisbälle, Karotten, Suppengrün und daumennagelgroß gewürfelte Kartoffeln. Sie schmeckt köstlich, ich kann’s kaum glauben.
„Na, was sagen S’?“
„Phantastisch!“
„Sehen sie, das ist meine Küche!“
Sie dreht sich um und geht hinüber zum Kuhstall, wiegt sich dabei ganz natürlich in den Hüften, so dass der wohlgeformte Hintern sanft hin und her schwingt. Ich folge ihr mit meinen Blicken, bis sie in der Tür verschwindet.
Hallo!? Ich muss wohl doch bald mal nach Hause: vorhin der Brunftschrei in der Kirche und nun dieses Feeling beim Anblick einer Bäuerin. Da tut sich was!
Der Typ mit den gewaltigen Tränensäcken gesellt sich zu uns. Dann biegt noch ein Biker um die Hausecke, parkt sein Motorrad direkt neben unserem Tisch und hockt sich dazu. Ein munteres Gespräch kommt in Gang, und es wird hier auf der Terrasse am Kuhstall inzwischen richtig gemütlich. Der Kollege mit den dicken Augen haut sich die Belege hinter die Binde – ein Bier nach dem anderen. Das andere Auge ist inzwischen auch rot. Die stolze Frau ist die Fünfte im Bunde, und so verbringen wir mehr als eine Stunde gut gelaunt und in freundlicher Gesellschaft.
Die letzten acht Kilometer sind eine Herausforderung. Wir wollen nach Hechlingen am See. Dort gibt es einen größeren Gasthof und somit eine gute Chance für
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