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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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Kirchenportal jener Kirche, die wir als erste passieren, während der Priester mit einer Monstranz und einem Gefolge von Messknaben und verspäteten Kirchgängern in das Kirchenschiff einzieht. Nur ein Stückchen weiter steht die evangelische Kirche, die ein wenig länger läutet, als ob sie ihre Vorherrschaft betonen möchte oder vielleicht auch, weil es mehr Säumige abzuholen gilt.
    Jetzt stehen wir vor dem Hügel, auf dem die Burg thront. Steil bergauf windet sich der Pfad, durchsetzt mit unzähligen Stufen. Zwischendurch müssen wir verschnaufen, so anstrengend ist es. Klitschnass und keuchend erreichen wir das Plateau, streifen die Rucksäcke ab und begeben uns auf Entdeckungstour.
    Wir betreten eine großartige Anlage, die uns mit ihrem malerischen Innenhof Hunderte von Jahren zurückversetzt. Türme, verschachtelte Gebäude aus Fels und Fachwerk, mit Galerien versehene Mauern, Tore mit Fallgittern, Bäume, Sträucher und ein mächtiger Brunnen auf dem Burgplatz bilden ein beeindruckendes, mittelalterliches Ensemble. Die Harburg gilt als eine der schönsten und besterhaltenen Anlagen Süddeutschlands. 900 Jahre Geschichte breiten sich vor uns aus, und wir verspüren den Atem längst vergangener Kulturepochen.
    Nach einer Weile verlassen wir die Burg durch ein anderes Tor. Der Weg führt nun oberhalb von Harburg entlang und folgt in einer Biegung ein Stück der Wörnitz.
    Der Blick hinab ist traumhaft. Unter uns liegt eine gewachsene Stadt. Eng beieinander stehen die vom Fluss sich am Hang hinaufziehenden Häuser. Eine alte, aus Felssteinen errichtete Brücke mit mehreren wuchtigen, von schweren Pfeilern begrenzten Bögen quert den Fluss, dessen Wasser blau hinaufschimmert, durchbrochen von Inseln aus grünen Seerosenblättern. Überall stehen Bäume, einzeln oder in Gruppen, und ihr Grün bildet einen wunderschönen Kontrast zu den unterschiedlichen Rottönen der Giebeldächer und den hellen Fassaden der Häuser. Dahinter erstrecken sich unter einem klaren, tiefblauen Himmel die sanften Hügel der auslaufenden Fränkischen Alb.
    Nichts wirkt kitschig, nichts stört den Blick. So schön kann es sein in deutschen Landen, so schön, dass einem das Herz vor Freude hüpft.
    Gegen Mittag tauchen wir in ein Waldgebiet ab und sind zunächst einige Zeit geschützt vor der erbarmungslos brennenden Sonne. Knapp zehn Kilometer vor Donauwörth endet der Wald, und wir müssen in der brütenden Hitze durch die Feldmark. 33 Grad Celsius zeigt das Thermometer. Powerriegel, lauwarmes Wasser und Traubenzucker halten unseren Energiehaushalt aufrecht, eine Suppe und frische Apfelschorle können wir abschreiben, unsere Route passiert keine Ortschaften.
    Flach ist es jetzt, wir haben die Alb verlassen und laufen an der Wörnitz entlang, auf einem asphaltierten Fahrradweg. Die Luft zittert über dem Asphalt, der immer gleiche Tritt auf den harten Untergrund schmerzt an den dauerbelasteten Stellen an den Füßen und drückt durch bis in die Knochen. Der mangelnde Schlaf der letzten Nacht macht sich jetzt bemerkbar. Der Kopf dröhnt, die Augen sind schwer, und wir beginnen zu schlurfen. Martin stolpert über einen Stein und wäre fast lang hingeschlagen. Unter seinem Südwester glänzt sein Schädel wie eine Tomate, und seine Brille ist beschlagen. Er kämpft, doch mir geht es auch nicht besser.
    Der beißende Schweiß hat meine alte Verschorfung im Schritt wieder aufgerissen, so dass ich anhalten muss. Damit habe ich überhaupt nicht mehr gerechnet. Dick mit Mirfulan bestrichen und die Unterhose so weit runtergezogen wie möglich, geht es breitbeinig weiter. Aus der Ferne winken die Türme von Donauwörth, aber es zieht sich und zieht sich.
    Ich pfeife aus dem letzten Loch, als wir an die Donau gelangen und die Stadt erreichen. Der Fluss ist hier noch schmal. Wir überqueren ihn und laufen und laufen und wundern uns, wo denn die schöne Altstadt von Donauwörth sein soll. Irgendwas müssen wir übersehen haben, jedenfalls haben wir jetzt das südliche Ende der Stadt erreicht und beginnen, das Feld nun von hinten aufzurollen. Mir wird langsam schwarz vor Augen, es reicht jetzt. An der Einfallstraße im Süden der Stadt entdecken wir ein Hotel mit einem kleinen, aber feinen, schattigen Biergarten. Ein ganzes Fass könnte ich aussaufen und dann direkt unter der Bank einschlafen. Aber erst mal einchecken.
    „Ja, Sie können zwei Einzelzimmer haben, aber ob Sie das bezahlen wollen, ist die Frage!“
    „Na, was kostet es denn?“, frage

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