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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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einfach kann man glücklich sein.
    Das Bürgerhaus steht mitten im Ort. Irgendwo wird ein Dach gedeckt, eine Schaukel quietscht, ein Auto fährt vorbei, ein paar Spatzen zanken sich um ein Stück Weißbrot. Die Hitze wabert wie Magma in den Gassen, ergießt sich über den Platz und verdrängt das übrige Leben.
    Wir legen uns unter den Tisch, strecken alle viere von uns und dösen in den Nachmittag hinein, immer das Quietschen der Schaukel im Ohr. Vor der Tour hätte ich nicht im Traum daran gedacht, mich auf einem Dorfplatz unter einen Tisch zu legen, um zu schlafen. Beim Wandern aber herrschen andere Gesetze. Irgendwann ist es einem egal, wie man aussieht, dass man seine Notdurft im Wald verrichtet, gewöhnt sich an das Schlafen unter freiem Himmel, freut sich über Dinge, die im Alltag eine Selbstverständlichkeit sind, und wenn es Not tut, legt man sich einfach ab, weil der Körper danach verlangt, und wenn es mitten im Ort ist.
    Mit prall gefüllten Wassersäcken ziehen wir weiter, passieren ein ehemaliges Benediktinerkloster – heute eine Einrichtung für geistig behinderte Menschen – mit einem wundervollen Innenhof, einem herrlichen Klostergarten und einem Restaurant, das natürlich heute, am Montag, seinen Ruhetag hat.
    Wir walzen schwerfällig unter der brennenden Sonne durch die Feldmark, immer weiter nach Süden. Hunger habe ich nicht wirklich, nur trinken, immer wieder trinken muss ich und mit meinem klitschnassen Taschentuch mir ständig den Schweiß von der Stirn wischen. Die Sonnencreme läuft mir in die Augen, und unter meiner Kappe herrscht ein Klima, das den Tropen alle Ehre macht.
    Wenn es doch bloß mal regnen und sich abkühlen wollte. Das Gewitter gestern hat hier nicht stattgefunden. Wie gerne würde ich mir meine Pelerine überstreifen und durch den Regen laufen, das kühle Nass auf meinem Gesicht spüren und endlich nicht mehr schwitzen.
    Einer Fata Morgana gleich spiegeln sich in der fiebrigen Luft am Horizont, hinter einem ausgedehnten Getreidefeld, die roten Dächer eines Dorfes. Doch je näher wir kommen, desto klarer zeichnet es sich ab und verschwindet nicht einfach. Es trägt den Namen Kühlenthal, und wie eine diesem Namen entsprechende Geste stehen am Ortsrand ein mächtiger Baum und darunter eine Bank.
    Ein guter Engel scheint uns zu begleiten und weist uns zum rechten Zeitpunkt einen schattigen Platz zu, so wie er vorhin für frisches Wasser gesorgt hat.
    Herrlich ist es, sich auf dieser Bank im Schatten niederzulassen, einfach nur zu sitzen, zu schauen und nicht mehr der erbarmungslosen Sonne ausgesetzt zu sein. Gegenüber, jenseits des Weges, ein Bauernhof, rechts von uns Gebüsch, hinter dem der Weg verschwindet.
    Das Land hält den Atem an und lechzt nach Erleichterung.
    Ein Traktor nähert sich aus dem Dorf und biegt samt Hänger in den Hof ein. Man kann nicht sehen, was er geladen hat. Eine Frau lenkt ihn, und wenig später kehrt er zurück und nimmt denselben Weg. Ein kurzer Blick, ein knapper Gruß, und wieder ist es still. Dann taucht der Trecker ein weiteres Mal auf, kehrt um und verschwindet wieder. So geht das eine Weile, wie in einem Endlosfilm, der immer wieder von vorne beginnt. Eine seltsame Distanz liegt zwischen uns und dem Geschehen vor uns, zwei Welten, die aneinander vorbeigleiten, ohne sich zu berühren und sich dabei im Kreise zu drehen scheinen.
    Wir geben den Gedanken auf, draußen zu übernachten. Wir wollen unbedingt duschen und eine warme Mahlzeit einnehmen. Bis Biberbach sind es noch neun Kilometer. Uns bleiben die Hoffnung auf einen Gasthof und der Glaube an ein drittes Wunder.
    Beim ersten Wirtshaus, auf das wir in Biberbach treffen, parken auf dem Platz neben dem Gebäude zwei, drei Autos – unsere Chancen scheinen gut zu stehen.
    In der Gaststube gähnende Leere. Der Wirt steht hinter der Theke und spült Gläser. Wir fragen nach zwei Einzelzimmern. Er mustert uns. Ein wenig zu lange, wie ich finde, so, als ob er überlegen würde, was er uns antworten solle.
    Nun mach schon, Alter. Ich sehe doch, dass du nicht willst. Du hast bestimmt fast alle Zimmer frei!, fährt es mir durch den Kopf.
    „Tut mir leid, meine Herren, wir sind ausgebucht!“
    Ungläubig starre ich ihn an.
    „Wir nehmen auch ein Doppelzimmer. Es muss nicht komfortabel sein. Sie würden uns einen großen Gefallen tun. Wir sind schon so lange unterwegs.“
    Seine Miene verfinstert sich, seine ganze Haltung ist abweisend.
    „Sie müssen mir schon glauben. Ich habe ein

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