Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
ganze Gift dann an – recht so, denn er hat es ja verursacht, nicht wahr?
Die Anreicherungsfaktoren sind abenteuerlich: Fische konzentrieren das Gift im Fettgewebe bis zu 100000 Mal, Muscheln bis zu 600000 Mal. Bei den Lebewesen, die dann Meerestiere fressen, geht das noch weiter. Die Sache wäre für DDT vielleicht glimpflicher ausgegangen, wenn nicht eines der Meerestiere fressenden Geschöpfe der Weißkopfseeadler gewesen wäre, das amerikanische Wappentier; auch in Europa bekannt aus Film und Fernsehen – wenn eine US-Bundesbehörde verbildlicht wird, taucht der imposante Vogel irgendwo auf einem entsprechenden Schild auf. Meiner Generation ist dieser Adler überhaupt erst durch DDT ins Bewusstsein gelangt. Die Heimtücke des Giftes ließ sich an der Horrorgeschichte ablesen: Der Weißkopfseeadler starb fast aus, weil seine Eierschalen zu dünn waren; DDT hatte den Hormonhaushalt durcheinandergebracht.
Die Kennedy-Administration stand Argumenten des Naturschutzes deutlich aufgeschlossener gegenüber als frühere Regierungen. In einem zähen Kampf mit Senatsanhörungen und politischen Debatten verlor das mächtige Landwirtschaftsministerium, Befürworter eines massiven Insektizideinsatzes, allmählich an Einfluss; wir müssen diese Grabenkämpfe zwischen Biologen, Großagrariern und Chemiefirmen hier nicht im Detail ausführen. 1972 wurde DDT für den Einsatz in der Landwirtschaft verboten. In den Siebzigerjahren folgten DDT-Verbote in Europa, seit 1977 ist etwa die DDT-Herstellung und der Vertrieb in Deutschland verboten.
DDT verschwand aus dem Bewusstsein, wenn auch nicht aus der Umwelt, der Abbau durch natürliche Faktoren dauert Jahre. In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts machte die chemische Analytik gewaltige Fortschritte, Schadstoffe ließen sich in unvorstellbar winzigen Mengen nachweisen; je mehr Proben man untersuchte, desto öfter wurde DDT gefunden, auch an Stellen, wo es nie jemand ausgebracht hatte. DDT war ubiquitär.
Es wurde still um das DDT. Jüngere Menschen verbinden mit der Abkürzung keine Vorstellung mehr, ebenso verschwunden sind die Assoziationen und Gefühle, die eine bloße Erwähnung des Mittels ausgelöst hat. DDT könnte der Name einer Rockband sein oder eine neue Designerdroge. Bis zum Jahr 2006.
Die Bezeichnung Malaria kommt vom lateinischen mala aria , »schlechte Luft«, weil man die Krankheit mit den üblen Ausdünstungen von Sumpfgebieten in Zusammenhang brachte. Die Krankheit erscheint schon in den frühesten medizinischen Aufzeichnungen der Menschen, zum Beispiel in chinesischen Abhandlungen aus der Zeit um 2700 v. Chr. Die Malaria gilt als Prototyp des bösartigen Fiebers, die Hauptinfektionsgebiete liegen in Afrika und Südamerika. Erreger der Krankheit sind Plasmodien, einzellige Sporentierchen. Der Mechanismus der Ausbreitung wurde erst vor hundert Jahren aufgedeckt, er ist so kompliziert, dass man sich fragt, wie so etwas überhaupt funktionieren kann. Der Erreger durchläuft vier Entwicklungsstadien und braucht dazu sowohl eine Mücke als auch den Menschen, wenn die Kette nicht abreißen soll. Mücken der Gattung Anopheles übertragen die Malaria von Mensch zu Mensch. Es gibt drei Unterformen: die Malaria tertiana , das »Dreitagefieber«, die Malaria quartana , das »Viertagefieber«, benannt nach den regelmäßigen Fieberschüben, und die Malaria tropica , bei der das Fieber unregelmäßig auftritt, sie ist auch die gefährlichste Form. Rund zweihundertfünfzig Millionen Menschen leiden an der Krankheit, jedes Jahr kommen zweihunderttausend dazu, ein bis zwei Millionen sterben daran. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Gebieten mit Malariarisiko. Der Malariakontinent schlechthin ist Afrika, 80 Prozent der Erkrankungen treten dort auf. Die harmloseren Formen waren allerdings unter der Bezeichnung »Sumpffieber« auch in Mitteleuropa bekannt: zur Goethezeit in Frankfurt, Süditalien war bis ins 20. Jahrhundert ein Malariagebiet, Malaria hat deshalb auch die Geschichte Europas beeinflusst. Alexander der Große starb wahrscheinlich an einer Gehirnmalaria.
Es gibt natürlich Medikamente, die Erreger werden aber zunehmend resistent – offiziell empfohlen werden Moskitonetze und Ganzkörperbekleidung, sobald die Dämmerung einsetzt; an diesen großartigen Ratschlägen am Beginn des 21. Jahrhunderts lässt sich eine gewisse Hilflosigkeit ablesen. Das Risiko, sich bei einer einzigen Reise in die Tropen oder Subtropen anzustecken, liegt
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