Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
Wasser (etwa halb so gut wie Kochsalz). Um in der Natur auf feste Alkalikarbonate zu stoßen, braucht man schon ein flaches Gewässer, das in der Sonne allmählich eindampft. Das erwähnte Wadi Natrun ist so ein Ort.
Durch die Lexikonweisheit bezüglich der alten Ägypter und ihrer Mumienbehandlung gerät man ohne eigenes Zutun gedanklich auf die falsche Spur – Soda erscheint hier als Zutat eines bizarren Totenrituals, das für uns keine Bedeutung mehr hat. Die eher traditionelle Hausfrau weiß noch, dass sie durch Einweichen mit Soda verkrustete Bräter sauber bekommt – aber sonst? Bei keinem Chemierohstoff dürfte die Diskrepanz zwischen öffentlichem Ansehen und wahrer Bedeutung so groß sein wie bei der Soda. Was kann man damit noch anfangen außer Backbleche einweichen oder Pharaonen entwässern?
Zum Beispiel Glas herstellen.
Dazu braucht man drei Dinge: Quarzsand, Soda und Kalk. Die ältesten bekannten Gegenstände aus Glas waren Schmuckperlen, das älteste sicher datierte Glasgefäß gehörte dem Pharao Tutmosis III. und entstand 1450 v. Chr. Man füllte die gut vermischten Ausgangsstoffe in einen Ofen, mauerte ihn zu und heizte tagelang von außen. Nach dem Abkühlen wurde das Rohglas an andere Werkstätten geliefert, die es wieder aufschmolzen und alle möglichen Behälter daraus herstellten.
Soda ist für die Glasherstellung unerlässlich: beim Abkühlen der Schmelze verhindert es, dass sich Quarzkristalle bilden – das Glas bleibt amorph und ist eigentlich eine unterkühlte Flüssigkeit. Die Glasindustrie ist heute der größte Sodaverbraucher.
Für Soda finden sich in der Literatur noch Dutzende Anwendungen in der chemischen Industrie, historisch bedeutsam aber ist sie als Reinigungsmittel für Wolle und bei der Herstellung von Seife.
Seife: Man kocht irgendwelche Fette mit Soda und arbeitet das Gemisch in geeigneter Weise auf. Wie das vonstattengeht, soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Wichtig ist, dass es ohne Soda keine Seifenproduktion gab. Sodalösung ist stark alkalisch, das heißt, sie enthält Hydroxidionen (OH-), die in der Hitze Fette angreifen und in ihre beiden Bestandteile spalten: Glyzerin und Fettsäuren. In der Sodalösung bilden die Fettsäuren dann Natriumsalze: Das sind die Seifen. (Die gewöhnliche Seife ist ein Gemisch solcher Fettsäuresalze.) Das Prinzip kannten schon die Sumerer, erst die Araber verfeinerten die Produktion im 7. Jahrhundert und stellten feste Seife in Stücken her. Im Mittelalter wurde die Seifensiederei zu einem florierenden Gewerbe, man wusch sich also mehr, als das in populären Darstellungen oft zu lesen ist; die Badehäuser dienten wohl doch auch der Hygiene und nicht nur der Anbahnung sexueller Beziehungen. Mit dem Ausbruch der Pest 1348 und der Syphilis, die wahrscheinlich Kolumbus von seiner zweiten Reise aus Amerika mitgebracht hat, war es mit der körperlichen Hygiene aber für mindestens zwei Jahrhunderte vorbei: Man vermutete, dass der »Krankheitsstoff« über das Wasser in den Körper gelangte, und setzte fortan auf Trockenreinigung mit heißen Tüchern und auf Parfüm, um die unweigerlich auftretenden Gerüche zu überdecken. Die Einstellung des 17. Jahrhunderts zur Hygiene veranschaulicht eine Anekdote über Johannes Kepler: Als er heiraten wollte, verlangte seine Zukünftige von ihm die Durchführung einer Ganzkörperreinigung mittels Vollbad. Kepler willigte trotz schwerer Bedenken ein, und prompt war er danach wochenlang krank, womit sich wieder einmal bestätigte: Wasser am Körper – das ist nix!
Stattdessen Abreiben mit heißen Tüchern … Auch die müssen allerdings gewaschen werden, um ihren Zweck halbwegs zu erfüllen. Und dazu braucht man Seife. Zum Bleichen von Leinwand und Baumwolle verwendete man im 18. Jahrhundert Laugen (Ammoniak aus Rinderharn oder Pottasche), Säuren (saure Milch oder Schwefelsäure) und Sonnenlicht, wobei die Tuche wochenlang auf Wiesen ausgebreitet wurden, die man nicht landwirtschaftlich nutzen konnte. Saure Milch, Rinderharn – heute wäre so eine Produktion extrem »bio«, das gilt sogar für die Pottasche, die stellt man nämlich durch Auslaugen von Holzasche mit Wasser her: Pottasche war der Rest, der zurückblieb, wenn man das unlösliche Zeug abfiltriert und das Filtrat eingedampft hatte. Der Name kommt von den großen Pötten, in denen das geschah. Pottasche ist nichts anderes als Kaliumcarbonat, K 2 CO 3 , sozusagen ein Verwandter des Natriumcarbonats. Der Chemiker Antoine Lavoisier
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