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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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»Bürgerkönig« Louis Philippe, war zu den Österreichern übergelaufen, was seinem Vater 1793 den Weg auf die Guillotine ebnete … Leblancs Sodafabrik, als Besitz des Herzogs betrachtet, wurde vom Staat konfisziert und sollte verkauft werden. Da niemand wagte, die Anlage zu kaufen, wurde sie geschlossen. Damit war Leblanc ruiniert. Als Draufgabe widerrief der Wohlfahrtsausschuss das Patent und zwang Leblanc, sein Produktionsverfahren zum »Wohle der Nation« bekannt zu machen. Als »Ausgleich« erhielt Leblanc eine Stelle als Verwalter der staatlichen Pulverfabrik – ein Ehrenamt ohne Bezahlung. Leblanc geriet in Schulden, aus denen er zeitlebens nicht mehr herauskam.
    1799 sollte er als Anerkennung seiner Erfindung eine »Nationalbelohnung« von 3000 Franc erhalten (Die neue Währung war gerade eingeführt worden). Ausbezahlt wurden 600. 1801 erhielt er seine Fabrik zurück. Sie war inzwischen völlig verfallen, er hätte zur Wiederherstellung Unsummen aufbringen müssen. Vier Jahre später wurde ihm gerichtlich eine in diesem Zusammenhang symbolische Summe von rund 52000 Franc zugesprochen. Davon ausbezahlt wurde genau – nichts.
    1806 hat sich Nicolas Leblanc im Armenhaus von St. Denis erschossen.
    Es findet sich in der Geschichte der Technik kaum ein Erfinder, der über so lange Zeit mit so gehässiger Boshaftigkeit behandelt wurde wie Nicolas Leblanc. Es ging ja nicht darum, dass irgendwelche von reiner Idiotie erfüllten Autoritäten den Wert seiner Erfindung verkannt hätten, im Gegenteil; das Leblanc-Verfahren war das erste der chemischen Industrie, im frühen 19. Jahrhundert wurden in Frankreich 15000 Tonnen künstliche Soda hergestellt und entsprechende Profite realisiert. Wer heute im Netz nach Bildern von Leblanc sucht, stößt immer nur auf seine Statue, die ihm 71(!) Jahre nach seinem Tod im Ehrenhof des Conservatoire des arts et métiers errichtet wurde, Sinnbild des in Bronze gegossenen schlechten Gewissens einer ganzen Nation. Unter Napoleon III. wurden fünfzig Jahre nach Leblancs Tod wenigstens seine Erben entschädigt.

    Das Leblanc-Verfahren war sehr erfolgreich, besonders in England, wo man Soda nicht nur zu den üblichen Zwecken brauchte, sondern auch zum Waschen der aus den Kolonien importierten Schafwolle, Grundlage der britischen Textilindustrie. Die Riesenmengen, die dazu nötig waren, lieferte die aufstrebende Alkali-Industrie, die erste chemische Großproduktion überhaupt. Allerdings: Die Bezeichnung »umweltschädlich« ist bei Leblanc ein glatter Euphemismus. Wir erinnern uns: Der Ausgangsstoff Glaubersalz entsteht aus Schwefelsäure und Salz. Die Produktion von Schwefelsäure erfordert das Rösten (Erhitzen) schwefelhaltiger Mineralien wie Eisenkies, wobei Schwefeldioxid entsteht, das zu Schwefeltrioxid weiteroxidiert und mit Wasser umgesetzt wird. Wobei erst 1746, als der Brite John Roebuck die Bleikammern, in denen diese Prozesse abliefen, erfunden hatte, überhaupt ausreichende Mengen an Schwefelsäure zur Verfügung standen. Vorher hatte man Schwefel mit Salpeter oxidiert (die Araber kannten diese Methode schon seit dem 8. Jahrhundert), um Oleum (Schwefelsäure) herzustellen; ebenjener Salpeter, den man mühsam von den Wänden der Abtritte … und so weiter: Eine Produktion aufgrund von Salpeter lieferte Produkte im Labor-, nicht im Fabrikmaßstab. Die Bleikammer schuf Abhilfe, erst jetzt konnte der deutsche Chemiepapst Justus von Liebig die Schwefelsäure »das Barometer der wirtschaftlichen Prosperität« nennen. Die beim Prozess entweichenden Stickoxide und das Schwefeldioxid waren noch nichts im Vergleich zum Chlorwasserstoff, der als Nebenprodukt bei der Glaubersalzherstellung anfiel. Man ließ das ätzende Gas, das mit Wasser sofort Salzsäure bildet, einfach über Schornsteine entweichen.
    Ein Blick auf die eigentliche Sodaerzeugung lehrt uns weiter, dass dabei eben nicht nur Soda entsteht, sondern auch Calziumsulfid, das als Abfall einfach irgendwohin gekippt wurde. Dort verrottete es nun langsam, soll heißen, es setzte mit Regenwasser den Schwefel als Schwefelwasserstoff H 2 S frei – ja, genau, das ist das Gas, das nach faulen Eiern riecht. Außerdem ist es sehr giftig (nur dreimal weniger giftig als das Auschwitz-Gas Cyanwasserstoff; 0,1 Prozent Schwefelwasserstoff in der Luft führt schon nach wenigen Minuten zum Tod). Der teure, aus Sizilien importierte Schwefel verwüstete gasförmig in England ganze Landstriche. In seinem Buch »Dismal England« beschreibt

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