Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
hatte in seiner Freizeit nicht nur die moderne Chemie begründet und von den alchimistischen Vorstellungen des Mittelalters befreit, sondern im Hauptberuf als Direktor der staatlichen Salpeterproduktion auch eine neue Anwendung für Pottasche erfunden: Sie diente zur Herstellung besonders reinen Kalisalpeters ; das war ein unerlässlicher Bestandteil des Schießpulvers. Den unreinen Salpeter gewann man durch Abkratzen der weißlichen Ausscheidungen in Aborten und in »Salpeterplantagen«, wo tierische Abfälle, vermischt mit Friedhofserde, zwei Jahre lang mit Jauche feucht gehalten wurden. Dann wurden die Produkte dieser extrem geruchsintensiven Produktionsweise abgeerntet und mit Wasser ausgelaugt. Der Lauge setzte man Pottasche zu, wodurch schwerlösliches Calzium- und Magnesiumcarbonat ausfällt. Die Lösung wird filtriert und das Filtrat (das, was durchrinnt) eingedampft. Man erhält Kaliumnitrat, Salpeter. Kurz: Nach Pottasche bestand erhebliche Nachfrage.
Diese Nachfrage konnte aber immer schwerer befriedigt werden, brauchte man doch für ein Kilo der Substanz die Asche von dreihundert Kilo Eichenholz. Man importierte die Pottasche aus Amerika, dort gab es eindeutig mehr Bäume als in Frankreich. Das ging gut, solange man sich nicht mit der die Weltmeere beherrschenden britischen Marine anlegte – die Intervention Frankreichs zugunsten der aufständischen amerikanischen Kolonien ließ den Pottaschestrom aber versiegen: englische Seeblockade.
Und hier kommt wieder die Soda ins Spiel. Die Regierung empfahl nämlich den Pottascheverbrauchern, auf Soda umzusteigen, die war ja auch alkalisch. Es blieb der Import aus Ägypten wieder über die See mit der Gefahr britischer Blockade oder die Gewinnung aus der Barilla , einer an den Mittelmeerküsten vorkommenden Pflanze, deren Asche bis zu 25 Prozent Soda enthielt. Gereicht hat das hinten und vorne nicht. Also entschloss sich die Französische Akademie der Wissenschaften, einen Preis auszuschreiben: 12000 Livres (etwa 120000 Euro) sollte erhalten, wer ein technisch brauchbares Verfahren zur Herstellung von Soda aus gewöhnlichem Salz angeben konnte.
Interessiert hat sich dafür Nicolas Leblanc, der Leibarzt von Louis Philippe II., Herzog von Orléans. Er war der reichste Mann Frankreichs, aufgeklärt, liberaler Lebemann, in scharfer politischer Opposition zum Königshaus, besonders zu Marie Antoinette, die er verachtete. 1789 schloss er sich mit adligen Gesinnungsgenossen dem dritten Stand zur Gründung der Nationalversammlung an, spielte also eine Rolle in der ersten Phase der Französischen Revolution, trat dann den Jakobinern bei und nannte sich »Philippe Egalité«. Genutzt hat es nichts, während der Schreckensherrschaft wurde er geköpft.
Aber noch sind wir nicht so weit: Doktor Leblanc arbeitete fünf Jahre im Labor des Chemikers D’Arcet, das ihm der Herzog verschafft hatte, an einem Verfahren zur Sodaerzeugung. Davon gab es schon einige, die aber alle an verschiedenen Schwächen litten. 1789, im Jahr der Revolution, war Leblanc so weit. Sein Verfahren war einfacher als die seiner Konkurrenten. Er brauchte nur drei Dinge:
Glaubersalz.
Kalk.
Kohle.
Glaubersalz ist Natriumsulfat, Na 2 SO 4 . Benannt ist es nach dem deutschen Chemiker und Apotheker Johann Rudolph Glauber, der es aus Kochsalz und Schwefelsäure herstellte.
Kochsalz + Schwefelsäure ergibt Glaubersalz + Salzsäure: Das war schon 160 Jahre lang bekannt. Das Weitere war einfach: 100 Pfund Glaubersalz wird mit 100 Pfund Kreide und 50 Pfund Kohle auf eisernen Walzen fein gepulvert, in einen Ofen aus feuerfesten Steinen eingebracht, auf helle Rotglut erhitzt. Die Mischung schäumt auf und schmilzt, man lässt erkalten, zerkleinert den Schmelzkuchen und laugt ihn mit Wasser aus. Was sich darin löst, ist Soda.
Was war passiert?
Natriumsulfat + Calziumcarbonat + Kohlenstoff ergibt Soda + Calziumsulfid + Kohlendioxid.
Der Herzog von Orléans beteiligte sich mit 200000 Franc an einer Sodafabrik. Also baute Leblanc außerhalb von Paris bei St. Denis diese Fabkrik. Die tägliche Produktion betrug nur 300 Kilo, sollte aber gesteigert werden. Daraus wurde ebenso wenig wie aus dem ausgesetzten Preis – offenbar wurde das ganze Preisausschreiben abgewürgt, ehe es entschieden war. Erst die Revolution begründete ein nationales Patentwesen, 1791 erhielt Leblanc ein solches Patent für sein Verfahren. Lange konnte er sich daran nicht erfreuen. Der Sohn des Herzogs von Orléans, der spätere
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