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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Mineralreichs völlig mangle. Friedrich Wöhler bewies 1828, was es mit der vis vitalis auf sich hat, nämlich gar nichts – er stellte Harnstoff, einen Urinbestandteil, aus Ammoniumcyanat her, ein Salz aus toter Materie, das letzten Endes aus Ammoniak, Kohlenmonoxid und Kaliumcarbonat zugänglich war.
    In den Lehrbüchern beginnt die organische Chemie eben mit den Benzinbestandteilen, Überresten von unvollständig zersetzten Stoffen belebter Meeresorganismen (vor allem ihrer Fette), die aber schon ziemlich lange tot sind, Jahrmillionen, und die ihre »Totheit« den mit Chemie geplagten Studenten mitzugeben scheinen, die sie als drückende Last einer gar nicht auszudenkenden Langweiligkeit empfinden. Nichts anderes verbirgt sich hinter der beschönigenden Bezeichnung Lernfach, ein Fach, das keiner lernt, der nicht dazu gezwungen wird.
    Der Grund für die didaktische Beliebtheit der Kohlenwasserstoffe liegt nicht bei den Kohlenstoff-, sondern den Wasserstoffatomen: Wenn man sie durch andere Elemente ersetzt, entsteht tatsächlich das Wunderreich der organischen Chemie mit ihren Millionen verschiedener Stoffe – für Systemdenker ist das schön, aber nicht für Studenten, die schon aus der Mittelschule einen mentalen Chemieschaden mitbringen und dann zunächst seitenweise Kohlenwasserstoffketten sehen, wenn sie das ungeliebte Lehrbuch aufblättern – unverzeigte, verzweigte und ihre Umwandlung ineinander.
    Benzin macht man bekanntlich aus Erdöl. Da der natürliche Benzingehalt bei Weitem nicht ausreicht, den Verbrauch zu decken, wandelt man andere, höhersiedende Bestandteile des Erdöls in Benzin um. Erdöl selber ist schon seit Jahrtausenden bekannt, die moderne Suche danach begann aber erst im 19. Jahrhundert. Warum? Kein Mensch dachte bei Erdöl an Benzin. Das ergab sich buchstäblich bei der Destillation – aber ohne rechten Verwendungszweck. Benzin war in der frühen Ölindustrie ein lästiges und feuergefährliches Abfallprodukt. Der eigentliche Zweck der Erdölsuche war – Beleuchtung. Die Moderne kann man, wenn man will, auch als die Epoche definieren, in der die Menschen beginnen, die natürlichen Grenzen von Tag und Nacht zu verschieben. Der immer größer werdende alphabetisierte Teil der Gesellschaft begann zu lesen. Zeitungen, Traktakte, Romane oder auch nur die Heilige Schrift. Dazu brauchte es künstliches Licht, denn der Abend war nach einem vielstündigen Arbeitstag die einzig verbleibende Zeit für Lektüre. Wachskerzen waren viel zu teuer für längere Beleuchtung – billigeres und besseres Licht lieferte die Öllampe, die am besten mit dem aus Pottwalen gewonnenen Öl funktionierte. Um 1840 standen diese Tiere aber schon an der Grenze der Ausrottung. Der Waltran ist der eigentliche Handlungsantrieb in Melvilles Jahrhundertroman »Moby Dick«. »Der alte, blinde Wal musste sterben. Er wurde ermordet, denn sein Öl soll brennen zu den Festen der Menschen und den Feiern der Kirche, wo man die Liebe zu allen Geschöpfen predigt.«
    Das Öl wurde teuer, Ersatz war gefragt. Der deutschstämmige kanadische Arzt Abraham Gesner hatte 1846 eine Methode entwickelt, aus Kohle ein Öl zu gewinnen, das er kerosene nannte (nicht zu verwechseln mit dem deutschen Begriff Kerosin). Dieses Petroleum brannte heller und sauberer als Walöl. Bald stellte sich heraus, dass man das moderne Leichtöl auch aus Erdöl destillieren konnte.
    Der Gründungsmythos großer Dinge braucht einen Menschen, einen Ort und ein Datum.
    Beim Erdöl ist der Mensch Edwin Laurentine Drake.

    Der Ort ist Titusville in Pennsylvania, das Datum der 27. August 1859. Dort stand in einem 21 Meter tiefen Bohrloch, das Drake hatte abteufen lassen, plötzlich Erdöl. Bekannt war es auch in Amerika schon lange. Die Seneca-Indianer verwendeten es als Heilmittel zum Einreiben bei Gliederschmerzen, es trat an verschiedenen Orten aus dem Boden, der Missionar David Leisberger berichtete schon 1767 von Ölfunden am Allegheny River und der Verwendung des Öls für medizinische Zwecke; ein Nebenfluss des Allegheny war jener Oil Creek, an dem Drake bohren ließ. Das auf Wundermedizinen versessene Amerika kaufte dem Salzproduzenten Samuel Kier schon lange das Öl, Nebenprodukt einer Salzquelle, abgefüllt in Halbliterflaschen zu Zigtausenden als natürliches Heilmittel ab; es sollte gegen fast alle Krankheiten wirksam sein. Kier war es auch, der auf die Idee kam, das Öl zu destillieren (mit einer Whiskey-Brennanlage) und das dabei gewonnene Lampenöl

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