Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
sagen, wenn Sie dort fünfzig Liter haben wollen?
Benzin ist die große Ausnahmesubstanz der motorisierten Gesellschaft. Es hat sozusagen Narrenfreiheit, womit hier gemeint ist, dass es sich jeder Narr an Tausenden Verkaufsstellen besorgen kann. Niemals wird seine Gefährlichkeit öffentlich diskutiert, immer nur sein Preis. Eine Substanz, die von kaum jemandem je gesehen wurde, aber im Millionen-Tonnen-Maßstab an fast jeden zweiten und jede zweite der Bevölkerung verkauft wird. Und es passiert ja auch erstaunlich wenig: Der Mann, der mit dem brennenden Streichholz in den Tank leuchtet, um zu sehen, wie viel Benzin noch da ist, kommt nur im Witz vor. Die allermeisten Autounfälle gehen glimpflich in dem Sinne ab, dass sich das Benzin nicht entzündet – nur im Kino gibt es die schönen Feuerbälle. Zum Umgang mit »Gefahrenstoffen« existieren sogenannte »R- und S-Sätze« (Risiko- und Sicherheitssätze); fürs Benzin gibt es jeweils ein knappes Dutzend. Darunter diejenigen, die sich von selbst verstehen, zum Beispiel R12 – »hochentzündlich« (nicht etwa nur »leichtentzündlich«), aber an zweiter Stelle und damit als besonders wichtig gekennzeichnet steht schon R45, »Kann Krebs erzeugen«, und R48: »Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition«. Der Umgang mit diesem Teufelszeug erfordert natürlich entsprechende Vorsichtsmaßnahmen (S-Sätze): Man soll Explosionen vermeiden, das Benzin nicht in die Umwelt entlassen, besonders nicht in die Kanalisation, das ist ja klar – aber haben Sie gewusst, dass Sie »bei der Arbeit mit Benzin geeignete Schutzhandschuhe und Schutzkleidung tragen« sollten? (S36/37). Fragt sich, ob einfaches Tanken schon eine Arbeit ist. Wenn ja, müsste man sich dazu umziehen …
Benzin ist eine merkwürdige Substanz.
Die nächste Seltsamkeit ist der Name. Er kommt nicht vom Motorenerfinder Carl Benz, sondern nach Auskunft der Sprachwissenschaft vom arabischen luban dschawi, das heißt »Weihrauch aus Java«. Durch Umformungen entstand daraus im Mittellatein das Wort benzoe , die Bezeichnung für das Harz des in Südostasien beheimateten Benzoebaumes. Die russisch-orthodoxe Kirche nimmt dieses Harz anstelle des bekannteren Weihrauchs; in der frühen Neuzeit war es so kostbar, dass es die ägyptischen Sultane als diplomatisches Geschenk nach Venedig und Zypern versendeten – und was hat das mit Benzin zu tun? Gemach, ich habe ja gesagt, die Sache ist seltsam … Wenn man das wohlriechende Harz mit gebranntem Kalk erhitzt, entsteht eine ölige Substanz, die nicht mehr so gut riecht wie Benzoe, aber immer noch auf gewisse Weise aromatisch. Der deutsche Chemiker Eilhard Mitscherlich hat das 1834 gemacht und auch die Summenformel festgestellt: C 6H 6 . Mitscherlich nannte dieses Öl Benzin, es war ja aus Benzoe hergestellt worden. Schon acht Jahre früher hatte der englische Physiker Michael Faraday über die Isolierung einer öligen Substanz berichtet, die bei der Produktion von Leuchtgas aus Walöl entsteht; es war dieselbe, Mitscherlichs Benzin . Der veröffentlichte seine Arbeit in den berühmten »Annalen der Chemie« – und deren Herausgeber war der deutsche Chemiepapst Justus von Liebig, der in einer Fußnote zu Mitscherlichs Arbeit dafür eintrat, die neue Substanz doch besser Benzol zu nennen statt Benzin , weil die Endung - ol darauf hindeute, dass die Verbindung als Flüssigkeit (lat. oleum, Öl) erhalten worden sei. Sein Wunsch war Befehl, es heißt im deutschen Sprachraum heute noch Benzol. Im Englischen aber heißt dieser Stoff benzene , weil die Endung - ol den Akoh ol en vorbehalten bleiben soll. Dieses benzene spricht man nun aber, um die Verwirrung voll zu machen, aus wie das deutsche Benzin, nur auf der ersten Silbe betont…
Und was hat Benzol nun wirklich mit Benzin zu tun? Fast nichts. Maximal ein Volumprozent Benzol darf im Benzin enthalten sein. Da hier so viel davon die Rede ist, die Strukturformel von Benzol:
Die sechs Ecken bezeichnen Kohlenstoffatome, an jedem hängt nach außen abstehend noch ein Wasserstoffatom, das in der Zeichnung meistens weggelassen wird. Der Kreis im inneren deutet den aromatischen Charakter an, der hier nicht heißt, dass die Sache besonders gut riecht, sondern dass neben den »normalen« Einfachbindungen (das sind die Striche zwischen den Ecken) noch eine zweite Bindungsart existiert, die alle Kohlenstoffatome zu einem völlig symmetrischen Sechserring miteinander verbindet.
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