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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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gesteigerten Raubbau zurückzuführen; die Erde sei erschöpft, weil ihr gewisse mineralische Stoffe fehlten, vor allem Stickstoff, Phosphor und Kalium. Diese Elemente kann die Pflanze über ihre Wurzeln nur in Wasser gelöst aufnehmen, das heißt, in Form von einfachen Salzen. Obwohl seine Theorie zwanzig Jahre brauchte, um sich durchzusetzen, gelang es doch, durch Einführung der mineralischen Düngung die Produktion der Landwirtschaft bedeutend zu steigern. Von 1873 bis 1913 stieg sie um 90 Prozent, auch durch Mechanisierung und andere Fortschritte in der Tierzucht. Der größte Mangel war seit jeher der an Stickstoff. Nun gab es allerdings einen bergmännisch abgebauten Stickstoffdünger, den man gut verwenden konnte: Salpeter. Die ergiebigsten Vorkommen lagen in Südamerika.
    Die Kriege der jüngsten Vergangenheit werden in späteren Jahrhunderten wohl eindeutig als »Ölkriege« bezeichnet werden; die heute vorgeschobenen Kriegsgründe (Massenvernichtungswaffen, Sturz einer Diktatur und so weiter) werden dann nur noch den Historikern bekannt sein. Solche Kriege um Rohstoffe sind aber nichts Neues. In unserem Zusammenhang von Bedeutung ist der sogenannte »Salpeterkrieg« zwischen Chile, Bolivien und Peru. Der Konfliktgrund waren die reichen Salpetervorkommen der Atacamawüste, die sich westlich der Kordilleren am Pazifik entlang erstreckt. Der Chile-Salpeter caliche ist ein Gemisch aus Ton, Sand, verschiedenen Salzen und dem Hauptbestandteil Natriumnitrat , einem Salz der Salpetersäure. Er wird aus dem groben Gemisch durch Herauslösen mit heißem Wasser und Umkristallisieren gewonnen. Natriumnitrat war die einzige Quelle für Salpetersäure – und die brauchte man, um Düngemittel und Sprengstoffe herzustellen, also um wachsende Bevölkerungen ernähren und Kriege führen zu können. Und die weltweit einzige technisch bedeutende Quelle für Salpeter lag in den Wüsten im Westen des südamerikanischen Kontinents. Salpeter war die Schlüsselsubstanz des 19. Jahrhunderts. Der Salpeterkrieg zwischen Bolivien und Chile brach 1878 aus, als Chile durch einen Grenzkonflikt mit Argentinien beansprucht war. Chile vertrieb die bolivianischen Beamten aus der Provinz Atacama, Bolivien war damit aus dem Spiel. Aber nun mischte sich Peru, das mit Bolivien ein geheimes Abkommen hatte, ein und beherrschte mit seiner Flotte die See. Der Krieg verlief für Chile zunächst sehr ungünstig, weil das peruanische Panzerschiff »Huascar« dem chilenischen Handel schweren Schaden zufügte. Es wurde allerdings 1879 geentert, und das Blatt wendete sich. Die Chilenen gewannen die Schlacht von Tacna und eroberten die peruanische Hauptstadt Lima, woraufhin die staatliche Ordnung in Peru zusammenbrach. Im Friedensschluss von 1883 trat Peru die Provinz Tarapaca endgültig an Chile ab, damit endete der Salpeterkrieg.
    Wer immer die Verfügungsgewalt über diesen Rohstoff hatte, der Salpeter musste auf Schiffe verladen und um Kap Hoorn herum und quer über den ganzen Atlantik nach Europa transportiert werden. Bei irgendeiner Unstimmigkeit mit Großbritannien, das mit seiner Riesenflotte die Weltmeere beherrschte, wurde die Salpeterzufuhr sofort unterbunden.
    Man musste in diesem Fall den Salpeter selber herstellen – nur wie? Im Natronsalpeter aus Chile liegt der Stickstoff gebunden an Sauerstoff vor: NaNO 3 , der Stickstoff ist irgendwie verbrannt worden. Auf direktem Wege geht das fast gar nicht – Gott sei Dank: Drei Viertel der irdischen Luft sind Stickstoff, ein gutes Fünftel ist Sauerstoff – wenn die beiden sich ohne Umstände verbinden würden, wäre der Sauerstoff auf der Erde bald aufgebraucht und uns gäbe es ebenso wenig wie andere Sauerstoffatmer. Aber eben: Stickstoff ist nicht brennbar, drum heißt er ja auch Stick stoff, weil er Flammen erstickt. Bei sehr großer Hitze, wie etwa in einem elektrischen Lichtbogen, verbrennt der Stickstoff dann aber doch zu Stickoxiden, wenigstens ein bisschen; wenn man eine vernünftige Menge daraus gewinnen will, braucht man Strom in rauen Massen, der auch noch fast nichts kosten darf, wenn das endlich hergestellte Düngemittel kein Apothekenprodukt bleiben soll. Um die Jahrhundertwende waren derartige Anlagen hie und da in Betrieb, aber für eine Massenproduktion von Stickstoffdünger oder Salpeter war das alles nichts.
    Was hat das nun aber mit Ammoniak (NH 3 ) zu tun? Das war auch ein Gas und kam in den Abwassern der Kokereien vor, aus denen es einigermaßen umständlich gewonnen werden

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