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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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konnte und das – brennbar war: Beim Verbrennen entstanden die begehrten Stickoxide. Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, wenn man das Ammoniak aus den Elementen hergestellt hätte, nach der Gleichung:

    Drei Teile Wasserstoff und ein Teil Stickstoff ergibt zwei Teile Ammoniak. Diese Reaktion existiert tatsächlich. Allerdings existiert auch die umgekehrte Reaktion: Ammoniak zerfällt in die Elemente Wasserstoff und Stickstoff. Das ist bei chemischen Reaktionen ganz allgemein der Fall. Gewöhnlich stellt sich ein sogenanntes »Gleichgewicht« ein – dann bildet sich pro Sekunde ebenso viel Ammoniak, wie in derselben Sekunde zerfällt, die Konzentration aller beteiligten Stoffe bleibt konstant. Der deutsche Chemiker Fritz Haber, Professor an der TU Karlsruhe, begann die Ammoniakreaktion 1904 zu untersuchen. Tatsächlich ist der Stickstoff nicht so abgeneigt, sich mit dem Wasserstoff zu verbinden; bei der Umsetzung wird sogar Wärme frei. Leider wirkt hier nun ein Prinzip, das der Franzose Henri Louis Le Chatelier 1888 entdeckt hatte. Man nennt es das »Prinzip vom kleinsten Zwang« und ist immer eines meiner liebsten Naturgesetze gewesen, weil es intuitiv ohne viel Mathematik erfassbar ist: »Übt man auf ein chemisches System im Gleichgewicht einen äußeren Zwang aus, so reagiert es so, dass der äußere Zwang vermindert wird.« Äußerer Zwang, was soll denn das sein? Zum Beispiel Zufuhr von Wärme, ordentlich heizen. Oder Druckerhöhung. Bleiben wir gleich dabei: Bei unserer Reaktion stehen auf der linken Seite vier Teile Gas, auf der rechten Seite aber nur zwei, das Volumen nimmt also ab und damit der Druck. Schließlich vermindert sich die Zahl der Gasmoleküle auf die Hälfte; nur halb so viel Moleküle (im Vergleich mit vorher) stoßen an die Wände des Behälters; diese Stöße machen aber den Druck aus. Wenn ich nun den Druck von außen erhöhe, indem ich die Gase Wasserstoff und Stickstoff mit einer Pumpe ins Reaktionsgefäß presse, dann weicht das System aus. Und geht in die Richtung, wo Druck verbraucht wird. Also von links nach rechts in Richtung Ammoniakproduktion. Das ist schon mal gut, denn da habe ich eine Möglichkeit, die Reaktion in gewünschter Weise zu beeinflussen. Was ist mit der Wärme? Da sieht es weniger gut aus: Bei der Reaktion wird Wärme frei. Wenn ich nun zusätzlich von außen Wärme zuführe – dann weicht das System aus und verbraucht Wärme, indem die Reaktion nun von rechts nach links verläuft, das gebildete Ammoniak also wieder zerfällt. Das wäre schlecht, heizen darf ich also nicht. Na ja, macht ja nichts, oder? Spar ich mir die Energie fürs Heizen. Leider kommt hier die Zeit ins Spiel: Reaktionen laufen umso schneller ab, je höher die Temperatur ist. Als Faustformel gilt: für jede 10 Grad Temperaturerhöhung Verdoppelung der Rektionsgeschwindigkeit. Bei Aufheizen von 20 auf 100 Grad wäre das eine 8-malige Verdoppelung, also der Faktor 256! Manche Reaktionen haben das auch bitter nötig, zum Beispiel die Ammoniakreaktion. Die würde zwar bei 20 Grad fast vollständigen Umsatz zu Ammoniak liefern – wenn ich nur die paar Tausend Jahre Zeit hätte, bis es sich endlich eingestellt hat, das Gleichgewicht. Es geht auch schneller (durch Temperaturerhöhung), aber dann liegt das Gleichgewicht weit links, bei 500 Grad und einer Atmosphäre Druck zum Beispiel gibt es dann noch gerade 0,13 Prozent Ammoniak. Hoffnungslos? Hier helfen sogenannte Katalysatoren. Das sind Hilfsstoffe, die durch ihre bloße Anwesenheit die Reaktionsgeschwindigkeit gewaltig erhöhen. Fritz Haber gelang es, in einer Versuchsapparatur bei 175 Atmosphären Druck und 550 Grad mit dem Element Osmium als Katalysator immerhin 8 Prozent Ammoniak zu erreichen. Die 8 Prozent wurden aus dem Gemisch entfernt, der große Rest der Apparatur wieder zugeführt. Prof. Hermann Staudinger, späterer Chemienobelpreisträger, der auch an der TU Karlsruhe wirkte, erinnerte sich, wie eines Tages Haber in sein Labor kam: »Kommen Sie runter, es gibt Ammoniak.« Er hat ein Gefäß mit einer langen Kapillare gehabt, und da war etwa ein Kubikzentimeter Ammoniak, das sehe ich noch. Dann kam noch Engler dazu. Das war damals fantastisch. Carl Engler war der Direktor der TH und ist durch seine Arbeiten über Erdöl bekannt geworden.
    Der Laborapparat, in dem das ablief, war eine Weltneuheit. Strömende Gase bei über hundert Atmosphären Druck – das wurde bis dato als völlig verrückt angesehen. Viel zu gefährlich …

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