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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Tatsächlich mussten geeignete Dichtungen und Verbindungen erst von Habers Mitarbeitern erfunden werden, damit das Ganze zum Laufen kam. Aus dem einen Kubikzentimeter der Laboranlage viele tausend Tonnen zu machen, war die Aufgabe von Carl Bosch, der im Auftrag der BASF, die schon die Arbeiten Habers finanziert hatte, das Verfahren, das heute als »Haber-Bosch-Verfahren« bekannt ist, in den großen Maßstab überführte. Das gelang innerhalb von drei Jahren, es traten aber eine Reihe schwerer Probleme auf: In den halbtechnischen Reaktoren (etwa einen Meter lange Stahlrohre) lief die Reaktion auch in größerem Maßstab zufriedenstellend ab – bis jedes der Rohre nach ein paar Stunden aufplatzte, das eine früher, das andere später. Nach langwierigen Untersuchungen fand Bosch heraus, woran das lag: Der Wasserstoff reagierte unter dem hohen Druck mit dem feinverteilten Kohlenstoff im Stahl und bildete das Gas Methan (CH 4 ). Das entwich. Die Festigkeit des Stahls liegt aber am Kohlenstoff, der also dringend benötigt wurde. Bosch fand eine geniale Lösung. Er steckte zwei Rohre ineinander: Das innere bestand aus kohlenstoffarmem Weicheisen, das äußere aus Stahl. Das Weicheisenrohr war chemisch beständig, das Stahlrohr nahm den Druck auf. Der Wasserstoff, der immer noch durch das Weicheisen diffundierte, entwich durch zahlreiche winzige Bohrungen im Hüllrohr, sogenannte »Boschlöcher«, ins Freie. Ein weiterer Punkt war der Katalysator. Osmium war viel zu selten und viel zu teuer. Boschs Assistent Alwin Mittasch gelang es, in zwanzigtausend Versuchen das heute noch übliche Katalysatorgemisch auf der Basis von Eisenoxid zu entwickeln. Schon 1913 ging die erste Ammoniak-Großanlage in Betrieb. Nicht zu früh, denn schon ein Jahr später begann der Erste Weltkrieg.
    Damit sind wir bei der Kehrseite der Medaille. Ohne die Bemühungen zahlreicher deutscher Wissenschaftler wäre dieser Erste Weltkrieg deutlich anders verlaufen. Kürzer, viel viel kürzer. Und Deutschland hätte ihn aus schlichtem Materialmangel viel deutlicher verloren. Dass er vier Jahre dauern konnte, verdankte man den Bemühungen des deutschen Industriellen Walter Rathenau: Er bemerkte, dass der deutsche Generalstab so sehr auf einen kurzen Krieg fixiert war (»Weihnachten sind wir wieder zu Hause!«), dass für einen längeren keine Vorsorge getroffen wurde. Es gelang ihm, den Generalstabschef von Falkenhayn davon zu überzeugen, Verteilung und Bevorratung strategisch wichtiger Rohstoffe nach seinen Vorschlägen zu organisieren. Eine »Kriegsrohstoffbehörde« wurde gegründet, Fritz Haber zum Leiter der Chemieabteilung ernannt. Die deutsche Industrie wurde eingebunden. Als Carl Bosch als Vertreter der BASF im September 1914 ins Kriegsministerium reiste, erschrak er über die Ahnungslosigkeit der Offiziere; sie konnten anfänglich nicht verstehen, warum es ein Salpeterproblem geben sollte – die großen weißen Halden in Mitteldeutschland: Das sei doch Salpeter, oder? Die Herren Offiziere hielten die Abraumhalden der Kalibergwerke für Berge des kriegswichtigen Rohstoffs … Tatsächlich hätte Deutschland mit dem im Reich vorhandenen Salpeter etwa sechs Monate Krieg führen können, dann wäre das Pulver im Wortsinne verschossen gewesen. Wenn man keinen Salpeter hat, muss man ihn eben erzeugen: aus Ammoniak. Haber, Bosch und viele andere sorgten dafür, dass nicht nur genug Salpeter vorhanden war, um daraus rauchloses Pulver und Granatfüllungen herzustellen, sondern auch Düngemittel.
    Aber das genügte Fritz Haber noch nicht.
    Die Befürchtungen, der Krieg könnte länger dauern, bewahrheiteten sich. Die deutsche Offensive war an der Marne zum Stehen gekommen, die Truppen waren auf beiden Seiten gezwungen, sich einzugraben, es begann die Hölle des Stellungskriegs. Wieder Bewegung da hineinzubringen, hatte sich Fritz Haber zum Ziel gesetzt. Gelingen sollte das mit den Mitteln der Chemie. Schon 1914 hatten die Franzosen das Tränengas der Pariser Polizei gegen deutsche Stellungen eingesetzt: Die Soldaten sollten aus den Gräben herausgetrieben und dann umso leichter abgeschossen werden. Die Wirkung war aber im Freien gleich null. Haber schlug das massenhafte Abblasen von Chlorgas auf gegnerische Stellungen vor. Giftgase waren nach der Haager Landkriegsordnung verboten, nicht aber Reizgase. Also wurde Chlor flink als Reizgas deklariert und mehrere Hundert Tonnen des Giftgases in 30000 Gasflaschen wurden hinter der Front eingegraben und mit

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