Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
total verschuldet – Selbstmord begeht.“
„Wissen Sie auch, daß Nedomanski zu seinem achtzehnten Geburtstag eine stadtbekannte Nutte zur Feier eingeladen hat – nur um seine Eltern zu schocken…?“
„Er hatte mal einen Prokuristen, der wollte einfach nicht aus der Firma ausscheiden; er besaß wohl auch einige Anteile. Da hat Nedomanski das Büro ausräumen lassen und ihm keine Arbeit mehr gegeben. Nach drei Wochen war der Mann erledigt.“
„Vor fünf Jahren, da hatte er ein Verhältnis mit einer Sachbearbeiterin aus der Einkaufsabteilung. Sie dachte, sie würde ein Kind von ihm bekommen. Er wollte, daß sie es abtreiben ließ. Sie weigerte sich und war nahe dran, vor seinen Augen aus dem Fenster zu springen. Er hat nur gelacht. ,Tu’s doch’, hat er gesagt. ,Wenn du dich dadurch verbessern kannst…’“
„Man hört ja so einiges, wie er zu seinem Geld gekommen ist… Er hatte eine reiche Tante; der hat er eingeredet, ihr Sohn wäre in einem russischen Gefangenenlager gestorben. Das war 1948. Als sie starb, hat sie ihm ihr ganzes Vermögen vermacht. Sein Startkapital. 1955 ist der Sohn zurückgekommen. Er rätselt heute noch herum, wieso seine Briefe damals nicht… Aber das bleibt unter uns, ja?“
„Natürlich!“
Borkenhagen registrierte das alles ohne sonderliche Anteilnahme. Mochte an alldem auch nur ein Körnchen Wahrheit sein – entscheidend war, daß überhaupt Gespräche dieser Art geführt wurden. Und das, obwohl immer wieder einer sagte: „Toten soll man ja nichts Schlechtes nachsagen…“ oder: „Laßt die Toten ruhen!“ Wie würden sich diese Leute schämen, wenn Nedomanski plötzlich wieder auftauchte! Die halbe Stunde mußte bald um sein; er konnte jede Sekunde hereinkommen. Borkenhagen, der plötzlich wieder eine ungewisse Furcht verspürte, zog sich in die äußerste Ecke des Raums zurück. Die Aussicht, sozusagen moralisch gelyncht zu werden, war nicht sonderlich angenehm.
Maria Nedomanski kam aus dem Bad, wo sie sich ein wenig erfrischt hatte, und ging zu ihrem etwas abseits gelegenen Schlafzimmer hinüber, um sich zwei Beruhigungstabletten zu holen. NEDO-Tranquil half ihr immer ziemlich schnell. Sie stieß die Tür auf und tastete nach dem Schalter. Als sie ihn betätigt hatte, flammte oben an der Decke ein bläulicher Blitz auf, es gab einen kurzen, scharfen Knall, sie fuhr zusammen. Auch die Lampe im Korridor war erloschen, und der Aufschrei ihrer Gäste verriet ihr, daß es überall dunkel geworden war. Ein Kurzschluß also.
Sie wußte, daß auf dem obersten Brett ihres recht hohen Bücherregals eine Taschenlampe lag. Die wollte sie haben, um Dreyer damit in den Keller zu schicken, wo der Sicherungskasten hing.
Während hinten in der Halle Streichhölzer und Feuerzeuge aufflammten, zog sie im Schein einer schnell entzündeten Kerze einen fellbespannten Hocker zur Bücherwand hinüber und stieg hinauf.
Doch sie hatte übersehen, daß der eine Fuß des Hockers genau auf dem Rand des dicken Teppichs stand. Der Hocker rutschte etwas zur Seite, Maria Nedomanski verlor den Halt und schrie auf. Von der Angst erfaßt, auf die scharfen Kanten ihres Frisiertischs zu stürzen und sich die Rippen zu brechen, suchte sie verzweifelt nach einem Halt. Im letzten Augenblick bekam sie die dünnen Streben des Bücherregals zu fassen und packte zu. Doch sie war zu schwer. Ihr Gewicht riß die Dübel aus der Wand; sie stürzte, und das Bücherregal fiel über sie.
Ihr Aufschrei ließ einen Teil der Gäste aus der Halle stürzen und über den Korridor laufen. Vor der Tür zu ihrem Zimmer entstand ein kleiner Stau. Man fand Frau Nedomanski halb unter Büchern begraben, auf dem Bauch liegend; man hob sie auf und legte sie aufs Bett. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf und stöhnte leise. Dr. Hartmann wurde gerufen, doch der meldete sich nicht. Schließlich schrie jemand: „Der Doktor ist im Keller!“
Für die nächsten zehn Minuten herrschte in Nedomanskis Villa eine ziemliche Verwirrung.
Die Gäste quirlten durcheinander; einer stand dem andern im Wege. Man suchte nach Sicherungen, nach Kerzen, nach Dr. Hartmann, nach einer Mullbinde für Maria Nedomanski und vor allem nach der Ursache des Kurzschlusses. Ein hektisches Stimmengewirr erfüllte das Haus.
„Sie hat eine Wunde am Kopf… Wo bleibt denn bloß dieser verdammte Doktor? Herr Hartmann!“
„Die Glühbirne muß defekt sein – die hat den Kurzschluß ausgelöst. Los, wir müssen sie rausschrauben!“
Man fand aber nur
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