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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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einen Tritt, den die Reinmachefrau zum Fensterputzen benötigte, und auch der größte der anwesenden Männer reichte nicht an die Lampe heran.
    „Habt ihr oben ausgeschaltet?“ rief Borkenhagen aus dem Keller.
    „Ja!“
    Doch in der allgemeinen Aufregung hatte man sich geirrt. Als Borkenhagen eine neue Sicherung einschraubte, knallte sie sofort wieder durch. Ausgerechnet dieser Strang war nicht mit einem Automaten gesichert. Sie zogen alle Schubladen auf, fanden aber keine intakte Sicherung.
    Maria Nedomanski blutete noch immer still vor sich hin, umstanden von Leuten, die sie mittlerweile nicht mehr beachteten, sondern sich stritten, in welcher Stellung der Lichtschalter auf EIN beziehungsweise auf AUS stand. Niemand wußte es mehr. Eine Markierung war nicht vorhanden, und die Schalter in den anderen Räumen waren unterschiedlich montiert. Also mußte man doch die defekte Glühbirne herausschrauben.
    „Bevor sie nicht draußen ist, traue ich mich nicht, die kaputte Sicherung mit Silberpapier zu umwickeln“, sagte Borkenhagen. „Sonst knallt uns noch die Hauptsicherung durch und der ganze Block liegt im Dunkeln.“
    „Lassen Sie uns das machen, kümmern Sie sich lieber endlich um Frau Nedomanski!“
    Borkenhagen holte seine Tasche aus dem Vorraum und versorgte Maria Nedomanski. Außer einer kleinen, aber heftig blutenden Platzwunde an der linken Augenbraue hatte sie offenbar keine weiteren Verletzungen davongetragen.
    Inzwischen hatte man draußen an der Wand der Wellblechremise eine Stehleiter von ausreichender Länge entdeckt. Dreyer war unauffindbar, und so bugsierten drei sonst überwiegend geistig arbeitende Herren das sperrige Ding durch das weitgeöffnete Fenster in das Schlafzimmer. Da im Kerzenlicht Entfernungen und Ausmaße nur schwer abzuschätzen waren, zerriß eine Gardine, und etliche Flakons fielen vom Frisiertisch. Parfüm lief auf den Teppich. „Hier stinkt’s ja wie im Puff“, sagte jemand. „Mensch, ist das ein Tohuwabohu hier! Und nebenan liegt Nedomanski!“
    Borkenhagen hoffte nur, daß Nedomanski die Ruhe und die Nerven behielt. Dieser Zwischenfall vermasselte ihm womöglich die ganze Tour. Seit dem Kurzschluß mochte gut und gern eine Viertelstunde vergangen sein – oder war es erst vor wenigen Minuten passiert? In solchen Situationen versagt das Zeitgefühl. Er wagte es nicht, zu Nedomanski ins Zimmer zu gehen und mit ihm zu sprechen, denn auf den Gängen wimmelte es von Menschen, und womöglich folgte ihm noch jemand oder belauschte ihn. Sie waren ja laut genug gewesen; Nedomanski mußte alles mitgekriegt haben. Daß dem so war, ging ja schon aus der Tatsache hervor, daß er seinen großen Auftritt verschoben hatte. Wenn er jetzt, in diesem Durcheinander, auf der Bildfläche erschien, bestand die Gefahr, daß sein Erscheinen so ziemlich verpuffte… Vielleicht war es gut, wenn er noch einmal mit Nedomanski sprach. Aber wie?
    Da hatte Borkenhagen eine Idee. Er erinnerte sich, auf Nedomanskis Nachttisch einen Telefonapparat gesehen zu haben. Sicherlich mußte es möglich sein, ihn von seinem Arbeitszimmer aus anzurufen. Diese Telefone schnarrten ja so leise, daß man draußen auf der Diele gar nichts hören konnte.
    Die brennende Kerze in seiner linken Hand tropfte ihm die ganze Hose voll. Sein einziger anständiger Anzug, ausgerechnet. Im flackernden Licht stieß er die breite Tür zum Arbeitszimmer auf. Ein Windstoß fuhr ihm entgegen und hätte fast die Kerze zum Erlöschen gebracht. Es roch nach Leder, altem Holz und Zigarrenrauch, und am Schreibtisch…
    Borkenhagen erstarrte.
    Vor dem durchwühlten Schreibtisch stand ein Mann in schwarzem Rollkragenpullover und suchte mit fliegenden Fingern ein Bündel Geldscheine in eine Aktentasche zu stopfen.
    Der Mann erstarrte ebenfalls. Sie glotzten sich an.
    Buster Keaton, schoß es Borkenhagen durch den Kopf. Er hat ein Gesicht wie… Pokerface. Er sieht aus wie ein Pokerspieler im Western… Borkenhagen wollte schreien, aber er brachte nur ein undeutliches Gurgeln zustande. Dann erkannte er, wie dürr und schmächtig Pokerface war.
    Er warf dem Mann die Kerze ins Gesicht und stürzte sich auf ihn. Doch Pokerface stieß ihm in einer blitzschnellen Reaktion das rechte Knie in den Unterleib. Borkenhagen schnappte nach Luft und fiel um.
    Pokerface zögerte; sein Blick zuckte zwischen Fenster und Tür hin und her. Draußen im Garten standen noch die Herren, die die Leiter ins Schlafzimmer geschoben hatten. Trotzdem wandte er sich dem

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