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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Spitzwegtypen.
    Ich fand eine Parklücke, wir stiegen aus und gingen zu dem Haus hinüber, in dem Martina Dahms wohnen sollte. Borkenhagen stieß eine schmiedeeiserne Tür auf, schwer wie die an einem alten Rathaus, dann standen wir in einem marmorverkleideten Flur, einer kleinen Bahnhofshalle. Hier war es kühl, hier roch es vornehm. Eine hochherrschaftliche Treppe führte nach oben, ein roter Teppich auf gelblichem Stein, ein riesiger, schon etwas blinder Spiegel; in der ersten Etage eine geschnitzte Balustrade, ein Fahrstuhl wie in Opas Grandhotel. Wohnungen nicht unter 600 Mark.
    „Geliebte müßte man sein“, sagte Borkenhagen. „Wenn ich da an meine Laube denke…“
    Wir entdeckten im dritten Stockwerk das künstlerisch gravierte Messingschild mit dem Namen M. Dahms, und Borkenhagen zog an einem Bronzelöwen. Drinnen schepperte es, wir hörten Schritte.
    Martina stand in der Tür. Braungebrannt, in weißen Shorts und einer blaugeblümten Bluse. Sie war schlank und reichte mir gerade bis zur Schulter, erschien mir aber doch nicht ganz so zierlich, wie ich sie mir nach Borkenhagens Worten vorgestellt hatte.
    „Gnädiges Fräulein, wir sind da!“ sagte Borkenhagen, überreichte mit großer Geste seinen Strauß – sieben rote Rosen – und drückte mir unauffällig das zusammengeknäulte Einwickelpapier in die Hand.
    Martina war verblüfft, und man sah ihr an, daß sie sich freute. Wahrscheinlich litt sie unter der Vorstellung, jeder betrachte sie nun als herrenlose Hure. „Kommen Sie doch rein“, sagte sie.
    „Danke.“
    Ich beförderte den Papierball in eine große Vase, die offenbar als Schirmständer diente, und stellte mich vor. Ich nannte ihr auch den Namen der Illustrierten, für die wir arbeiteten. Sie sagte, die lese sie jede Woche; sie wolle mir alles erzählen, was sie über Nedomanski wisse; ein Honorar käme natürlich nicht in Frage.
    „Nett von Ihnen, Fräulein Dahms…“
    „Setzen wir uns doch. Trinken Sie Gin mit Eis und Sinalco?“
    „Wenn Sie das zusammenmixen – gern!“
    Sie machte sich in der Küche zu schaffen, und wir hatten Zeit, uns in ihrem Wohnzimmer umzusehen. Borkenhagen hatte sich auf die pompöse Eckcouch gesetzt und wippte mit Kennermiene. Der fast quadratische Raum, schätzungsweise sechs mal sechs, war mit einem goldgelben Teppich ausgelegt. Die Wände waren orange und hellgrau gestrichen, zwischen gradlinigen weißen Möbeln hingen farbenfrohe Ölbilder vom Berliner Künstlermarkt – ein bißchen Picasso, ein bißchen Klee, ein bißchen Miro, ein bißchen Schulze. Die mannshohe Vasenlampe, der Sockel beleuchtbar, mochte allein 500 Mark gekostet haben. Von der weißgekalkten Decke blickten dicke Stuckengel auf uns herab. Auf einer Regalwand, die meterweit ins Zimmer ragte, standen Gläser, Taschenbücher, eine Pendule und zwei Stereolautsprecher.
    Martina kam mit den Getränken herein und setzte sich mir gegenüber in den zweiten ihrer gurkengrünen Sessel. „ Rauchen Sie?“
    Ich lehnte ab; Borkenhagen nahm eine Zigarette, Martina auch. Er gab ihr Feuer und sah ihr dabei gerade in die Augen. Sie senkte sofort den Blick; es paßte schlecht zu dem selbstbewußten, forschen, fast arroganten Eindruck, den sie bisher gemacht hatte.
    Nanu, dachte ich, bist du unsicher, Mädchen? Weißt du noch nicht recht, welche Maske dir am besten steht? Ich sagte: „Sie wissen, welchen Pakt Herr Borkenhagen mit… mit Nedomanski geschlossen hatte?“
    „Ja, die Beamten haben es mir erzählt… Typisch Mäxchen!“
    „Mäxchen?“ Ich lächelte.
    „Ach, tun Sie doch nicht so! Sie wissen doch ganz genau, was los war. Daß ich seine… Daß er das alles bezahlt hat…“ Sie machte eine Armbewegung, die ,das alles’ umfaßte; dann zog sie nachdenklich an ihrer Zigarette und klopfte die Asche ab. „Und nun möchten Sie gern wissen, wie es dazu gekommen ist?“
    „So ist es!“ Ich vertiefte mich in den Anblick ihrer übereinandergeschlagenen Schenkel und empfand plötzlich so etwas wie Sympathie für Nedomanski. Wir alle wollen ja das Leben ausschöpfen.
    Sie drückte ihre Zigarette aus, trank einen Schluck und behielt das Glas in der Hand. „Ja, wo soll ich anfangen…“
    Sie war hübsch; ein kleines Teufelchen, ein süßer Fratz, eine bezaubernde kleine Hexe. Das Gesicht schmal, ein wenig an eine Kreolin erinnernd; die dunklen Haare fielen lang auf die Schultern herab. Groß, mandelförmig, exotisch die Augen, dunkelbraun oder schwarz. Die Nase lief in einer kleinen, lustigen

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