Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
nicht?“
„Waren Sie schon bei der Polizei?“
„Aber sicher! Glauben Sie, ich mach noch was ohne die? Sie meinen, der mysteriöse Herr Einbrecher ist es gewesen.“
„Sehen Sie mal, das ganze Zimmer ist ja durchwühlt; Schränke und Schubladen – alles offen!“
„Ich war’s nicht, wenn Sie das meinen… Da, er kommt zu sich.“
Wir halfen Guido auf die Beine, setzten ihn in einen Sessel, preßten ein sauberes Taschentuch auf seine Wunde und flößten ihm einen doppelten Cognac ein. Noch immer etwas benommen, erzählte er stockend, was ihm widerfahren war.
„… von hinten, der Kerl hat mich von hinten niedergeschlagen. Ich… Autsch! Das dröhnt vielleicht… Mann, hab ich Kopfschmerzen!“ Er stöhnte. „Ich wollte einholen gehen… Auf der Treppe… auf der Treppe fiel mir ein, fiel mir ein, daß ich kein Geld eingesteckt hatte. Ich also zurück in die Wohnung… Oh, mein Gott, tut das weh! Der Arzt – wann… Kommt er bald? Aahhh… Ich zurück ins Zimmer, um mir Geld… Die Tür nur angelehnt… Da muß er dann reingekommen sein…“ Plötzlich bekam er ganz große Augen. „Sagen Sie mal…“ Er zog die Stirn kraus. „Wie kommen Sie eigentlich hier rein?“ Und zu mir gewandt: „Wer sind Sie überhaupt?“
Ich stellte mich vor, sagte, daß wir ihn besuchen wollten und die Tür offen gefunden hätten. „Wir brauchen ein paar Auskünfte in der Sache Nedomanski“, fügte ich hinzu; ich hatte es eilig – wenn die Polizei erst da war, konnten wir sehen, wo wir blieben.
Er hatte es gar nicht gehört. „Sehen Sie mal – ist meine Brieftasche noch da?“ fragte er.
„Wo denn?“
„Auf dem Schreibtisch…“
„Bleiben Sie sitzen! Nein, da liegt keine.“
„Scheiße, verdammte!“
„Sie haben sich doch Bücher von Ihrer… äh, Tante geborgt – aus Nedomanskis Bibliothek, meine ich…“
„Hin und wieder, ja… Warum?“
„Auch Die Wahl der Erben?“
„Die – was? Ach so, ja. Steht da hinten auf dem roten Regal. Warum?“
„Haben Sie’s schon gelesen?“ fragte ich schnell.
„Nein. Ich weiß nicht mal, warum ich’s neulich mitgenommen habe – Verwechslung wahrscheinlich; wollte irgendwas anderes… Warum fragen Sie?“
„Weil Nedomanskis Mörder das Buch gekannt haben muß.“
„Versteh ich nicht. Wieso?“
„Weil sich niemand in ein Schlafzimmer schleicht, um einen Toten zu ermorden.“
„Das ist mir zu hoch… Was steht denn in dem Buch drin?“
Ich sagte es ihm. Ich beobachtete ihn scharf dabei, wartete auf seine Reaktion. Es kam jedoch keine Reaktion; es kamen vielmehr zwei Polizeibeamte, gefolgt von zwei Feuerwehrleuten, die eine Bahre anschleppten. Trotz seines Protests schnallten sie Guido auf die Bahre und trugen ihn die Treppe hinunter. Vermutlich zur ambulanten Behandlung ins nächste Krankenhaus.
Der Ranghöhere der beiden Polizisten zückte sein Notizbuch und begann Fragen zu stellen: Name – Anschrift – geboren… Dann:
„Sind Sie zusammen in die Wohnung gekommen?“
„Ja“, sagte Borkenhagen schnell.
Ich bestätigte es nickend. Während Borkenhagen Rede und Antwort stand, schlenderte ich wie zufällig zu dem roten Regal, von dem Guido eben gesprochen hatte. Ein Meter Bücher vielleicht. Mit leicht geneigtem Kopf überflog ich die Rücken. Adorno, Marx, Marcuse, Bakunin – sonderbare Nachbarschaft für Paul Ritters Wahl der Erben; ich neigte dazu, Guido zu glauben, daß er das Buch nur versehentlich entliehen hatte. Aber offenbar hatte er es auch verliehen…
Das Buch war verschwunden.
Hübscher Kapitelschluß. Ich brauche aber keine Kapitelschlusse. Ich brauche überhaupt keine Kapitel, sondern eine Erleuchtung, wie ich das ganze Material auf vier Seiten unterbringen kann! Was tun? Weiterlesen und dann morgen früh… nee: heute früh eine knappe Zusammenfassung produzieren. Ich hab ja mehr oder weniger zugesagt, daß ich’s mache. Lieber komprimieren als sich kompromittieren.
Wo geht’s denn weiter… Hier: eine Szenenfolge, die ich nach Unterredungen mit Borkenhagen und Mannhardt skizziert habe.
Ein Büro. Altbau. Hoch. Dunkel. Muffig. Billige Möbel. Aktenbock aus Kaisers Zeiten. An ihren Schreibtischen zwei Männer. Kriminalobermeister Herrmann (38) und Kriminalmeister Bethge (30). Freitagvormittag. Beide fluchen. „So ein schönes Wetter.“
„Und man muß in diesem miesen Stall hier hocken!“
„Hättest du gestern abend besser aufpassen sollen!“
„Ach, leck mich doch…! Was kann ich denn dafür,
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