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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Hoher Flur. Riecht nach Bohnerwachs und Bratfisch. Freitag, aha. Bethge macht Licht. Herrmann orientiert sich am Klingelbrett. Raabe? Ah, da oben. Gartenhaus, drei Treppen, rechts. Nicht gerade hochherrschaftlich. Kluger Kopf, erregt kein unnötiges Aufsehen. Oben bellt ein Hund.
    Aha!
    Dann stehen sie vor Raabes Wohnungstür. Bethge klingelt. Einmal. Zweimal. Drinnen rumpelt es. Schritte. Eine Kette wird zurückgeschoben. Tür öffnet sich. Raabe wird sichtbar. Hinter ihm der Hund, die Ohren angelegt.
    Erster Eindruck der beiden von Raabe: Figur höchstens mittelgroß, sehnig, kein Gramm Fett zuviel. Weltergewicht. Gesicht hager, kantig, scharfgeschnitten, wirkt tuberkulös. Blondes Haar, Locke in der Stirn. Kräftige Hände.
    Raabe muß gerade geschlafen haben. Blinzelt. „Was gibt’s denn?“
    „Herr Raabe?“
    „Ja…?“
    Herrmann zückt seine Marke. „Kriminalpolizei.“
    Nun geht alles ganz schnell. Bei Raabe brennen die Sicherungen durch. Er springt zur Seite. „Bessie – faß!“ Bessie stürzt sich auf Herrmann. Verbeißt sich im rechten Unterarm. Herrmann schreit. Bethge schaltet schnell. Hält schon die Pistole in der Hand. Verstellt Raabe den Weg. Herrmann wirbelt Bessie herum; das Tier prallt gegen Bethge, reißt ihm die Beine weg. Bethge stolpert, fällt gegen das Treppengeländer, sucht einen Halt. Raabe reagiert blitzschnell, nutzt seine Chance. Tritt Bethge in den Unterleib, setzt über ihn hinweg und rast die Treppe hinunter. Bessie gibt Herrmann nicht frei. Herrmann blutet. Bethge rappelt sich hoch. Ist außer sich vor Wut. Tritt dem Hund in die Flanken. Will Herrmann helfen, muß Herrmann helfen. Herrmann ist wichtiger als Raabe. Verdammter Köter! Herrmann wirft sich nach hinten. „Los!“ Bethge jagt dem Hund zwei Kugeln in den Leib. Bessie verendet.
    Raabe ist über den Hof gelaufen, hat die Straße erreicht. Keucht. Augen flackern. Irrer Blick. Schweiß auf der Stirn. Schwitzt im weinroten Helanca-Pullover. Sein Kadett steht auf der anderen Straßenseite. Scheiße! Dichter Verkehr, kommt nicht rüber. Will nicht zu Fuß flüchten. Hat die Schüsse gehört. Bessie tot. Der Gedanke lähmt. Trauer. Keine Kraft mehr. Alles sinnlos. Soll er sich stellen? Verpfuschtes Leben… – Eine Lücke im Verkehr! Er rennt los.
    „Halt – stehenbleiben! Raabe, machen Sie keinen Quatsch!“ Bethge hat aufgeholt, ist dicht hinter ihm her.
    Noch zehn Meter bis zum Wagen. Er hat den Schlüssel in der Hand. Aber das Aufschließen wird zu lange dauern. Keine Chance mehr… Da sieht er Borkenhagen.
    Borkenhagen steht in einem Hausflur. Er ist zu Fuß hierher gekommen. Hatte vorhin die Hausnummer gehört. Wollte dabei sein.
    Raabe zieht die kleine Beretta aus der Hosentasche, reißt Borkenhagen herum, stößt ihm den Lauf in den Rücken.
    Bethge begreift sofort und stoppt. Es fällt kein Wort. Straßenpassanten prallen zurück, flüchten in die Hausflure und Läden.
    Raabe erreicht seinen Wagen. Roter Kadett. Tritt auf die Fahrbahn. Schließt auf. Borkenhagen klettert auf den Beifahrersitz.
    Bethge prägt sich die Nummer ein. Eilt in den nächsten Laden – Schreibwaren, Kinderspielzeug, Krimskrams: Wo ist das Telefon? Zentrale verständigt. Die Jagd beginnt, und Herrmann kommt ins Krankenhaus.
    Raabe rast durch die Straßen. Hat nichts mehr zu verlieren. Gehirn blockiert. Schlafwandler am Steuer.
    Borkenhagen ist begeistert. Borkenhagen hat Angst. Er ist sozusagen begeistert, weil er Angst hat. Tolles Erlebnis. Zum Teufel mit den Hörsälen! Der Wagen rast die Sonnenallee hinunter. Rausch. Multipliziertes Lebensgefühl. Funkwagen schießen heran. Aus der Weichselstraße einer, aus der Pannierstraße ein anderer. Vor ihnen der Hermannplatz. Was wird Raabe tun? Wird er schießen? Die Euphorie klingt ab. Wenn der Ernst macht… Er sieht so aus, als ob ihm alles egal ist.
    Raabe über das Lenkrad gebeugt. Zuckende Mundwinkel. Schweiß auf der Stirn. Ein Tier, in die Enge getrieben. „Ich war’s nicht“, sagt er plötzlich. „Ich hab dem Alten nichts getan!“
    „Dann halt doch an!“
    „Ich bin doch nicht verrückt! Damit die Schweine mir den Mord in die Schuhe schieben? Ich hab den Mörder gesehen – mit meinen eigenen Augen hab ich ihn gesehen! Aber wer glaubt mir denn? Kein Aas glaubt mir!“ Er fegt über den Hermannplatz. Bremsen kreischen; irgendwo kracht Blech auf Blech. „Die Reichen halten doch zusammen. Und unsereiner darf den Buckel hinhalten. Von denen geht doch keiner in den Knast –

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