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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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leicht verletzt liegen geblieben. Dennoch – sie hätte im anschließenden Tohuwabohu Zeit genug zur Tat gehabt, zumindest theoretisch. Aber da war noch eine andere Möglichkeit, und die wog wesentlich schwerer: Vielleicht hatte sie den Kurzschluß absichtlich herbeigeführt, um einem Komplicen Gelegenheit zur Tat zu geben. Aber wem? Wie auch immer: Woher wußte sie – falls sie nämlich mit dem Mord zu tun hatte – , daß Nedomanski noch lebte? Kannte sie das Buch? Oder hatte sie ein Gespräch zwischen ihrem Mann und Borkenhagen belauscht?
    „Was meinen Sie denn, wer hat Ihren Mann ermordet?“ fragte ich, als der Redestrom endlich versiegte.
    „Na, dieser Einbrecher natürlich!“
    „Und Ihr Mann hatte keine Feinde unter seinen Gästen?“
    „Viel Feind, viel Ehr.“
    „Aber niemand, dessen Feindschaft stark genug wäre, um…“
    „Ich bitte Sie! Ehe man einen Menschen umbringt, muß man doch erst einmal ein Motiv haben!“
    „Gewiß… Guido wollte Martina – und war an Nedomanskis Tod interessiert; Walter wollte die Firma – und war an seinem Tod interessiert; Martina hielt ihn für die Inkarnation des Bösen – und war an seinem Tod interessiert; Dreyer sah sich durch ihn zu einem haltlosen Leben verführt – und war an seinem Tod interessiert… Reicht das für’s erste?“
    „Woher wissen Sie das alles?“ fragte sie kühl.
    „Ich habe eine Menge Leute an der Hand, die mir Informationen liefern. Sie sollten sich langsam mit dem Gedanken vertraut machen, daß es vielleicht doch nicht der Einbrecher gewesen ist.“
    „Er war es! Und ich verbiete Ihnen solche Äußerungen! Noch ein Wort, und ich lasse Sie hier… hier… entfernen!“
    Aha – sie hatte also doch Nerven… Ich sagte: „Bleiben Sie doch sachlich! Ich wollte Ihnen nur einmal klarmachen, daß theoretisch jede der anwesenden Personen den Mord begangen haben könnte. Auch Sie! Aber wenn Sie mir jetzt helfen, können wir diesen Verdacht womöglich bald zerstreuen.“
    „Und wie?“ Sie hatte sich wieder in der Gewalt.
    „Der Täter hat wahrscheinlich das Spiel Ihres Mannes durchschaut…“ Ich erzählte ihr von meinen Überlegungen und kam auf das Buch zu sprechen. „Borkenhagen hatte die Idee aus dem Buch. Und wenn nun einer der Verdächtigen das Buch ebenfalls gelesen hat, dann…“
    „Wie heißt denn dieses Buch?“
    „Paul Ritter – Die Wahl der Erben.“
    Sie sprang auf und starrte mich an. „Mein Gott – das haben wir!“
    „Dann muß es woanders stehen“, sagte ich. „Hier ist es nicht; ich habe ja gerade nachgesehen.“
    „Nein, es steht hier – Augenblick!“ Sie ging zu der Vitrine rechts neben der Tür, zog die gläserne Tür auf und strich mit dem Zeigefinger über die einzelnen Buchrücken. „Hier… Nein. Komisch; hier müßte es…“ Sie schüttelte den Kopf. „Warten Sie mal…“ Sie kramte in einer Schublade herum. „Es muß verborgt sein. Zum Glück schreibe ich mir jedesmal auf, was ich an wen verliehen habe. Sonst bekommt man seine Bücher nie zurück. Das ist ja hier eine halbe Leihbücherei. Sehen Sie: Lady Chatterley – Anneliese. Tiefer Süden – Uschi. Wer die Nachtigall stört… – Walter. Zur Hölle mit den Paukern – Irma. Und hier: Die Wahl der Erben – na bitte! Und geliehen hat es Guido.“
    „Was denn: Guido Winkler? Der gehört doch zur Apo, der fühlt sich doch als Linker, als Intellektueller…“
    „Ich war ja auch erstaunt, was der alles liest.“
    „Vielleicht sammelt er Material, um die bürgerliche Gesellschaft zu entlarven oder so etwas… Wo wohnt denn Herr Winkler?“
    „In Wilmersdorf, in der Prinzregentenstraße; die Hausnummer weiß ich nicht, aber unten im Gebäude ist eine Tankstelle.“
    Ich verabschiedete mich – hier war offenbar nichts zu holen. Schon in der Tür drehte ich mich noch einmal um und kam mir ein bißchen albern vor, weil es nach Fernsehkrimi aussehen mußte, aber die Frage war mir gerade erst eingefallen: „Haben Sie das Buch eigentlich mal gelesen?“
    Es war unter der dicken Make-up-Schicht schwer zu erkennen, aber ich glaube, sie lächelte.
    „Nein“, sagte sie. „Nie.“
    Mit gemischten Gefühlen ging ich die Auffahrt hinunter zur Straße. Zwar war ich mit meinen Ermittlungen ein gutes Stück vorangekommen und konnte sozusagen guter Hoffnung sein, doch der Gedanke an Maria Nedomanski ließ mich noch immer frösteln. So und nicht anders hatte ich mir als Kind immer Aschenputtels Stiefmutter vorgestellt…
    Die NEDO-Flagge hing auf

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