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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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lieber Himmel! Der Rest ist noch nicht getippt. Wo ist denn mein Manuskript? Einen grünen Stenoblock habe ich benutzt, das weiß ich noch…
    Uff, ist das eine Hitze! Wie spät ist… Viertel nach zwei. Prost Mahlzeit. Mindestens vier Uhr wird das werden. Na, macht nichts, wenn ich morgen um elf in der Redaktion bin, ist es auch noch früh genug. Und jetzt wollen wir mal sehen, ob noch ‘ne Cola im Kühlschrank ist!
    Es sind noch drei Flaschen da; die vierte steht vor mir. So – wo ist der Stenoblock? Also, manchmal kann ich Papier nicht mehr sehen. Man müßte alles Papier auf der Welt verbrennen. Wie sähe die Welt aus, wenn alles Papier… Da!
    Nee. Ein Schnellhefter, kein Stenoblock. Was ist denn das? Winkler, Guido… ? Ach so, ja. Das hat Gläser recherchiert. Der neue Volontär.
    Ah, die Karteikarte mit den Daten des Herrn Guido Winkler. Gläser, mein neuer Volontär, hat sie zusammengetragen.
     
     
    Winkler, Guido. Geb. 24. 8. 1944 in Nauen b. Berlin. Schule bis zur Mittleren Reife, dann Lehre als Industriekaufmann. Seit 1970 Einkäufer bei der Wunder KG. Nicht verheiratet, nicht verlobt. Monatliches Bruttoeinkommen etwa 1500,– DM. Verkehrt in Apo-Kreisen, aber bürgerlicher Habitus. Frustriert, weil er im Leben infolge Herzklappenfehlers wenig erreicht hat. Hat Angst vor engen Räumen und vor Fahrzeugen. Elternhaus intakt. Vater Postoberinspektor, Mutter Schneiderin. Fühlt sich als Versager.
    Unklares Verhältnis zu Nedomanski. Läßt sich zwar des öfteren Geld von ihm schenken, verteufelt ihn aber fortlaufend und lehnt es ab, in den NEDO-Werken zu arbeiten. Hat bei einem Betriebsfest in angetrunkenem Zustand einem Kollegen gegenüber erwähnt, die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik ließen sich nur dann wirksam verändern, wenn man alle Unternehmer an die Wand stellte. Man solle sich nicht immer auf andere verlassen, sondern selber was unternehmen. Einer müsse mal den Anfang machen, das Volk brauche ein Zeichen. Er würde schon wissen, wo er anzufangen hätte. – Auch die Äußerungen anderer Gewährsleute bestätigen seinen Hang zum Einzelgängertum und zum Anarchismus.
    Zum Äußeren: Winkler ist groß und massig, hat aber keineswegs die Figur eines Schwergewichtsboxers, sondern wirkt eher schwammig trotz des länglichen Gesichts (,Pferdegesicht’). Seine Stimme ist dröhnend und etwas schleppend. Sehr blasser Teint. Kurzer ,Beamtenhaarschnitt’, dunkelblondes Haar, rechts gescheitelt. Altmodische, ein wenig opahafte Kleidung.
    Keine Freunde, wenig Bekannte. Kein engerer Anschluß in Apo-Kreisen, aber auch nicht bei Kollegen; ist überall Außenseiter. Wenig Kontakt zu seinen Eltern.
     
     
    Gründliche Arbeit; Gläser hat sich Mühe gegeben. Aber was soll ich jetzt damit! Ich brauche den Stenoblock, in dem… Na so was. Da liegt er ja – ganz obenauf; da kann man natürlich lange suchen!
    So… Na, ich hab auch schon mal deutlicher geschrieben. Aber es wird schon gehen.
     
     
    Wir starrten uns an. Borkenhagen ließ die Waffe sinken.
    „Was machen Sie denn hier?“ stieß ich hervor.
    „Ich habe eben meinen ersten Mord begangen, sehen Sie doch!“
    „Quatsch!“
    „Der Tote in der Mitte des Zimmers sprach eine deutliche Sprache“, sagte er, mich im Tonfall imitierend.
    „Ist er wirklich tot?“
    „Keine Ahnung…“
    Wir hockten uns neben Winkler; ich griff nach seiner Hand. Der Puls war kräftig und regelmäßig. Ich ging zum Telefon und alarmierte Funkstreife und Krankenwagen.
    Dann erzählte mir Borkenhagen seine Version. „Ich wollte mit ihm sprechen, über Tina. So von Mann zu Mann. Und ihn natürlich aushorchen – es hat sich ja mittlerweile herumgesprochen, daß er Mäxchen Nedomanski nicht mochte… Ich komme also hier an und klingle – nichts! Ich klopfe – nichts! Ich sehe, daß die Tür nur angelehnt ist und rufe seinen Namen – nichts! Ja, und da habe ich das getan, was auch Sie getan haben: Ich bin unaufgefordert näher getreten. Da lag er… Ich habe mich gleich in der Wohnung umgesehen, aber es war niemand mehr da. Dann kamen Sie.“
    „Und das Schießeisen?“
    „Ist nur eine Gaspistole. Die hab ich mir heute besorgt, nachdem es mir gestern nacht genauso gegangen ist wie dem guten Guido. Ich wollte mich in meinen Wagen setzen, da kriegte ich eine gewischt, einen Handkantenschlag – und vorbei! Sendepause. Später fand ich dann einen Zettel in meiner Tasche, da stand drauf: Wenn du weiterschnüffelst, ist es aus mit dir! Lieb,

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