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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Der mit Juwelen besetzte Schaft eines Dolches glitzerte auf Hüfthöhe.
    »Und dich erst, Vincent. Was war ich überrascht, als meine Spione mir berichteten, dass sie dich leibhaftig gesehen haben! Ich schätze, du hast das Geheimnis um die Verkörperlichung gelüftet, ein Rätsel, das wir Gelehrten seit Jahrhunderten erfolglos zu lösen versuchen. Sehr gerissen von dir.« Sie schaute ihn so hungrig an, als würde sie ihm am liebsten alle Details aus dem Gedächtnis saugen.
    »Der guérisseur hat euch geholfen, nicht wahr?«, wollte sie wissen, während sie näher kam. »Er wird über die fehlenden Informationen verfügt haben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Gaspard mir eine so revolutionäre Entdeckung vorenthalten hätte.«
    Vincent ging gar nicht darauf ein. »Lass die Frau gehen, Violette.«
    Mir war nicht klar, wieso Mamie sich bisher nicht einen Zentimeter bewegt hatte, bis mir auffiel, dass direkt hinter ihr jemand saß, ein Schwert auf ihren Rücken gerichtet. Es war ein Junge, nicht älter als dreizehn. Seine hellbraunen Haare fielen ihm tief in die Stirn und verdeckten seine dunkelbraunen Augen fast. Die farblose Numa-Aura umgab ihn. Ein junger Numa. Das musste Violettes neuer Gefährte sein.
    Sie erwischte mich dabei, wie ich ihn anstarrte. »Louis, du kannst Madame Mercier gehen lassen. Wie sagt man noch so schön: ›Ein Mann, ein Wort.‹ Und selbst wenn ich kein Mann bin und wir streng genommen gar nicht mehr in die Kategorie Mensch fallen, haben wir trotzdem noch einen Kodex zu befolgen. Nicht wahr, Vincent?«
    »Körperlich gesehen bist du noch eine Bardia«, sagte Vincent. »Aber dein Verstand arbeitet schon wie ein Numa. Deshalb vertraue ich nicht darauf, dass du dich noch an den Kodex hältst. Lass mich erst Kate und ihre Großeltern in Sicherheit bringen, dann kehre ich allein zurück.«
    »Ja, bitte lassen Sie mich und meine Enkelin gehen«, flehte Mamie und stand auf.
    Darauf explodierte Violette förmlich, ihr gesittetes Auftreten war wie weggeblasen. »Ihr macht alle genau das, was ich will!«, schrie sie, die Augen wurden schmal. Ein Ruck ging durch alle Anwesenden, dann starrten wir sie reglos an. Als Erstes kam Bewegung in die beiden Leibwächter, die ihre Arme lösten und einen Schritt auf uns zumachten, bis ein stechender Blick von Violette sie wie angewurzelt stehen bleiben ließ.
    Sie legte sich eine Hand auf die Brust, schloss die Augen und seufzte. Dann sagte sie, wenig lauter als ein Flüstern: »Nicolas, mein Lieber, würdest du Madame Mercier bitte hinausbegleiten?«
    Louis fasste meine Großmutter am Arm, führte sie an uns vorbei und übergab sie an Nicolas. Der verließ blitzschnell den Raum mit ihr und verschwand im Flur, die Tür hinter sich schließend. Ich schnappte einen Hauch von Mamies Gardenienparfum auf und sofort zog sich alles schmerzhaft in meiner Brust zusammen. Denn ich fragte mich ernsthaft, ob einer von uns das Ganze hier lebend überstehen würde.
    »So, wo war ich stehen geblieben?«, murmelte Violette und wandte sich uns zu. »Ach ja, Kate und Vincent. Wir haben da noch eine offene Rechnung.« So geschmeidig wie ein Raubtier näherte sie sich uns.
    »Du«, sagte sie und zeigte auf Vincent, »gehörst zu mir.« In dem Moment bemerkte ich etwas Ungewöhnliches an ihrer rechten Hand. Irgendetwas passte nicht, sie wirkte unvollständig. Ein panischer Schauer lief mir über den Rücken, als ich verstand, was da nicht stimmte: Ihr fehlte der kleine Finger. Stattdessen prangte dort eine dunkelrote Kruste, in der sogar noch die schwarzen Fäden der Naht zu erkennen waren. Das war also das Opfer aus Fleisch und Knochen gewesen, das sie genutzt hatte, um Vincent an sich zu binden. Vergeblich. Ich starrte unverwandt auf die Stelle, an der mal ihr Finger gewesen war, und hätte mich am liebsten übergeben.
    »Ich habe nie zu dir gehört.« In jedem von Vincents Worten schwang tiefste Verachtung mit. »Du hast Kate und ihre Großeltern dazu benutzt, mich hierherzulocken. Jetzt bin ich hier und ehrlich gesagt nicht mal überrascht, ein Feuer vorzufinden«, er nickte zum steinernen Kamin, in dem hohe Flammen loderten. »Wahrscheinlich hast du herausgefunden, welcher Fehler dir beim letzten Mal unterlaufen ist. Sobald du Kate gehen lässt, kannst du loslegen.«
    Violette nickte den beiden Leibwächtern zu, die herantraten und Vincents Arme umfassten. Er blickte mich an, flehte geradezu, dass ich mich füge, während er sich ohne Gegenwehr festhalten ließ.
    Ich

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