Von den Sternen gekuesst
konnte nicht zulassen, dass Vincent sich opferte, um mich zu retten. Zorn stach mir wie ein glühend heißer Schürhaken durchs Herz und trieb mich wie von selbst zu ihm. »Vincent, das lass ich nicht zu! Nicht noch mal.« Mein Kopf ruckte nach vorn, weil mich plötzlich kräftige Hände festhielten. Ich fuhr herum. Der Junge, Louis, hatte mich geschnappt. Und er war stärker, als er aussah. Unsere Blicke trafen sich. Kaum hörbar und fast ohne die Lippen zu bewegen, sagte er: »Es tut mir leid.«
Seine Worte verwirrten mich, trotzdem drehte ich mich schnell wieder zu Vincent, nur um zu sehen, dass Violette wenige Zentimeter vor ihm stehen geblieben war. Sie hielt ihm den Dolch an den Hals, während er sie herausfordernd anstarrte.
»Nimm mich anstelle von Vincent«, sagte ich mit starker Stimme.
Violette ließ den Dolch sinken und machte ein paar Schritte rückwärts. Dann blickte sie mich lachend an. »Dann erklär mir das doch bitte mal, Kate. Wieso soll ich mir das Vergnügen entgehen lassen, deinen Freund noch einmal zu töten, diesmal sogar vor deinen Augen? Und warum um alles in der Welt, sollte ich stattdessen dich nehmen?«
Ich kämpfte gegen Louis’ starken Griff an und einer plötzlichen Eingebung folgend, verkündete ich: »Ich könnte die erste Sterbliche sein, die du tötest. Läuft das nicht so? Dann wärst du endlich die echte Numa, die du so gern sein willst. Also, lass Vincent unbeschadet laufen und nimm stattdessen mich.«
»Ach«, sagte Violette. Fast amüsiert warf sie Louis einen Blick über meine Schulter zu. »Na, ist das nicht eine rührende Geste? Man könnte sogar fast von Selbstaufopferung sprechen. Wie gütig von dir, Kate.«
»Du hast übrigens recht, Vincent.« Violette richtete ihre Aufmerksamkeit wieder ihm zu. Ihr Mund verzog sich zu einem kranken Grinsen. »Ich habe herausgefunden, welcher Fehler mir beim letzten Mal unterlaufen ist.« Sie legte ihren Kopf leicht schief und betrachtete ihn eindringlich. »Ich hatte nicht den wirklichen Meister.«
Und mit einer blitzschnellen Bewegung rammte sie mir den Dolch in die Brust. Sie war so flink, dass ich eine volle Sekunde lang nicht wusste, was da gerade passiert war. Bis ich an mir hinunterblickte und den Dolch in meinem Körper stecken sah. Violettes kleine porzellanweiße Finger hielten den Schaft noch fest umklammert.
Dann griff sie auch noch mit der zweiten Hand danach und riss die Klinge mit einer schnellen Bewegung nach oben. Mir blieb gerade noch genug Zeit, zu Vincent zu schauen und das Entsetzen in seinen Augen zu erkennen, bevor ein lautes Rauschen seinen Schrei übertönte und ich in Dunkelheit versank.
Teil 2
I ch bin durstig. Mein Mund fühlt sich an, als wäre er voller Sand, doch als ich ihn öffne, merke ich, dass es meine dick geschwollene Zunge ist, an der ich fast ersticke. Meine Lunge ist kurz vorm Implodieren. Endlich öffnet sich meine Luftröhre und ich inhaliere Sauerstoff, atme ihn tief und wie wahnsinnig in meine brennenden Lungenflügel.
Eine Hand fasst nach meinem Kinn und hält es grob, während mir Flüssigkeit über die Lippen läuft und aus dem Mund rinnt. Doch ich kann schlucken, und wer immer das ist, gibt mir zu trinken, bis sich mein Mund schließt. Mein Kopf wird zurückgelegt. Ich verliere wieder das Bewusstsein.
Ich friere, obwohl ich ein Feuer in der Nähe spüre. Mein Körper fühlt sich an, als wäre er tiefgefroren gewesen und würde nun auftauen, als würden mir Tausende spitzer Nadeln von Kopf bis Fuß in die Haut stechen. Jeder Muskel verkrampft sich schmerzhaft. Mein Arm zuckt hoch, will zu meiner Brust, die Muskeln meiner Finger ziehen sich zusammen und verhärten meine Hand zur Faust. Ich kann noch immer nicht sehen und mein Mund ist wie ausgetrocknet. Ich höre Schritte, die Hand ist wieder da, sie gibt mir Wasser – ich kann wieder schmecken.
Etwas berührt meine Lippen und will tiefer in meinen Mund. Ich beiße vorsichtig zu und schon breitet sich die Süße einer Feige auf meiner Zunge aus. Ich schlucke und beiße erneut ab, will mehr davon in meinen krampfenden Magen bekommen. Der Feige folgen Walnüsse. Drei Stück. Ich schlucke auch sie, muss aber sofort den Kopf zur Seite drehen, weil sie mir wieder hochkommen. Ich würge, bis nichts mehr in meinem Magen ist und sogar noch länger. Ich würge und weine und zittere. Die Hand wartet geduldig, wischt mir dann das Gesicht ab und fängt von vorne an. Wasser. Feige. Drei Walnüsse. Diesmal bleibt alles drin. Die Schritte
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