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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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mit denen er mich nach der Rückkehr aus dem Archiv begrüßt hatte. »Ich bin froh, dass du dort gewesen bist«, hatte er gesagt. »Gut möglich, dass es deine einzige Chance war.« Wieso sollte er das sonst so formulieren? Träger des signum bardia können das Archiv problemlos betreten, Revenants hingegen nicht. Er wusste, dass in mir ein Revenant schlummerte. Dass ich bald zur Meisterin werden würde. Bran hatte es die ganze Zeit gewusst.
    Und dann trifft mich der Schock wie eine Flutwelle, rauscht mir in den Ohren und reißt mich mit voller Gewalt in ihren Strudel. Ich liege hier und bin vollkommen wehrlos der Frau ausgeliefert, die entschlossen ist, mich zu vernichten.
    »Hast du noch Fragen?«, fragt sie, klappt das Notizbuch zu und verstaut es in ihrer Jackentasche.
    »Was hast du mit Vincent gemacht?«
    »Der hat keinen Nutzen mehr für mich«, sagt sie schroff. »Ich hätte ihn ja am liebsten direkt nach dir getötet. Aber da du dich für ihn geopfert hast, war ich mir nicht sicher, ob du dich wirklich noch in einen Revenant verwandelst, wenn er nicht überlebt. Deshalb hab ich ihn im Hotel zurückgelassen.«
    Erleichtert sinke ich ins Kissen und schließe die Augen. Er ist in Sicherheit.
    »Ja, ruh dich schön aus«, sagt Violette und tritt wieder zu mir ans Bett. »Es dauert sicher noch mindestens einen Tag, bis du wieder bei Kräften bist. Aber wie du ja siehst«, sie deutet auf die Gurte, mit denen ich gefesselt bin, »gehe ich lieber kein Risiko ein.«
    Nun steuert sie die Tür an. »Violette?«, rufe ich und drehe den Kopf so, dass ich sie im Blick habe.
    »Ja, Kate?«, fragt sie mit neugierigem Gesichtsausdruck.
    »Ich hoffe inständig, dass ich nicht die Meisterin bin«, sage ich, meine Stimme fest wie Beton, »weil ich es mir nicht verzeihen könnte, dir zu irgendeinem Vorteil zu verhelfen. Aber wenn ich es bin, dann wünsche ich mir, dass du dir diesmal eine ganze Hand abhacken und dann eine rohe Katze essen musst, um meine Kräfte auf dich zu übertragen. Und am besten erstickst du daran.«
    Endlich bröckelt ihre erschreckend besonnen wirkende Fassade. Mit einem Geräusch irgendwo zwischen einem Knurren und einem Schrei stürzt sie zu mir und schlägt mir so kräftig ins Gesicht, wie sie kann. Dann macht sie auf dem Absatz kehrt, stürmt aus der Kajüte und pfeffert die Tür hinter sich zu.
    Ich starre an die Holzdecke und schmecke Blut, so heftig hatte sie mich getroffen. Doch ich lächele.

F ast im gleichen Moment öffnet sich die Tür wieder und Louis erscheint mit einem Tablett. Obwohl seine hochgezogenen Augenbrauen darauf hindeuten, dass ihn interessiert, was hier gerade zwischen seiner Herrin und mir passiert ist, sagt er nichts. Er stellt das Tablett ab und gießt Wasser in ein Glas. Vorsichtig hebt er meinen Kopf an und hält es mir an die Lippen. Als ich getrunken habe, stellt er das Glas weg und gibt mir ein Stück Orange.
    Während ich ihn das erste Mal richtig betrachte, lässt meine Wut nach. Ich sehe einen unbeholfen wirkenden Dreizehnjährigen, der sich nun hinter der typischen charismatischen Fassade verbirgt, die die Verwandlung in einen Revenant mit sich bringt.
    Vincent hatte mir das im vergangenen Sommer erklärt. Wenn jemand als Revenant aufersteht, ist seine körperliche Anziehungskraft exponentiell höher als zu Lebzeiten. Dies ist ihre geheime Superkraft: Die Menschen fühlen sich zu den Revenants hingezogen und neigen deshalb eher dazu, ihnen zu trauen.
    Im Falle der Bardia war das gut, so konnten mehr Leben gerettet werden. Für diejenigen, die den Numa in die Finger gerieten, hatte es jedoch verheerende Folgen. Wenn ein Numa Furcht einflößend sein will, fällt ihm das alles andere als schwer. Wenn sie auf Beutefang sind, können sie aber fürchterlich charmant sein – sonst hätte Lucien meine Schwester nicht dazu gebracht, sich in ihn zu verlieben.
      Was hat dieser Junge nur getan, um bereits in diesem Alter auf der Seite der unsterblichen Betrüger zu landen?, frage ich mich.
    Louis weicht meinem Blick aus, während er sich bereit macht, wieder zu gehen. Und obwohl mir klar ist, dass er nur Violettes Befehl ausführt, danke ich ihm, bevor er die Kabine verlässt. Er verharrt kurz im Durchgang, schaut sich neugierig zu mir um, schließt dann die Tür von außen und lässt mich mit meinen Gedanken allein.
    Die Zeit vergeht im Schneckentempo. Mein Körper tut so unbeschreiblich weh, dass mir die Tränen herunterlaufen. Dabei weine ich nicht, das ist nur die

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