Von den Sternen gekuesst
Begleiter ziehen die Schwerter.
Ambrose springt vor Charlotte. »Wo du recht hast …«, sagt er und rammt dem Numa ein Schwert in die Brust. Eine Sekunde vergeht, bevor er den schlaffen Körper auf den Boden gleiten lässt.
Dem anderen Numa ergeht es nicht besser. Fast gleichzeitig sinkt er auf den Bürgersteig. Vincent nutzt den Mantel seines Opfers, um das Blut vom Schwert zu wischen, bevor er es zurück in die Scheide schiebt. »Bringen wir sie rein«, sagt er.
Es schüttelt mich, als Ambrose sich eine der Leichen über die Schulter wuchtet. Zwei Bardia heben unaufgefordert den anderen toten Numa auf, zusammen steuern wir La Maison an.
Da die Gefahr gebannt ist, lasse ich mich zurückfallen und folge mit ein bisschen Abstand. Irgendetwas fühlt sich nicht richtig an. Zwar haben die Numa meine Anverwandten provoziert, waren bewaffnet und griffen an, trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl im Bauch. Mitleid ist es nicht, sondern etwas anderes. Da ich es nicht benennen kann, beobachte ich Charlotte, die mit schnellen Schritten zu Ambrose aufschließt.
»Nur mal so rein informativ: Wenn man jemanden nicht einfach plattmacht, taugt er sogar noch zum Verhören«, sagt sie.
»Ja, schon klar. Aber du, das vergesse ich eben ganz gern im Eifer des Gefechts«, erwidert er und schenkt ihr ein entschuldigendes Lächeln. Charlotte ist davon wenig beeindruckt und läuft los, um Vincent einzuholen, der gerade das Tor öffnet.
Ambroses und mein Blick treffen sich. »Wie schon gesagt, die hat was drauf«, sagt er und schüttelt ehrfürchtig den Kopf.
W ir stehen auf der Dachterrasse von La Maison und blicken über die Stadt. Paris erinnert mich mal wieder an eine feine Dame. Heute Abend trägt sie ein blaues Samtkleid und in den vielen erleuchteten Fenstern glitzern ihre Perlen. Für mich ist der Anblick jedoch noch mit feuerroten Strahlen versehen. Die paar auf unserer Seite des Flusses erscheinen wie dicke Säulen, während sie sich zu Montmartre hin zu blutroten Fäden verdünnen.
»Wie viele siehst du?« Vincent ist neben mir und hält meine kalte Hand in seiner warmen.
»Viele.«
»Ein paar Dutzend?«, fragt er.
»Eher über hundert«, antworte ich. Schweigend betrachten alle das Panorama auf der Suche nach etwas, das sie gar nicht wahrnehmen können.
»Sie verteilen sich über die ganze Stadt«, fahre ich fort. »Dort befindet sich eine Gruppe«, sage ich und deute Richtung Quartier asiatique, Chinatown. »Und mehrere auf der anderen Seite der Bastille.« Diesmal zeige ich zu einem Meer roter Strahlen südöstlich von uns. »Und um Montmartre.«
Vincent starrt kurz auf den Boden, dann wendet er sich an uns. »Wir brauchen Verstärkung«, sagt er. »Zusammen mit den Anverwandten aus den Vororten sind wir in Paris gerade mal vierzig. Natürlich können wir nach und nach etwas ausrichten, sofern wir die einzelnen Gruppierungen erwischen, bevor sie sich irgendwo sammeln und formieren. Wenn sie das tun, sind wir verloren. Wen können wir noch um Unterstützung bitten?«
»Jean-Baptiste will zu uns stoßen, sobald Gaspard aus der Ruhephase erwacht, was im Laufe der frühen Morgenstunden sein wird«, sagt Arthur.
»Muss er sich dann nicht erst noch erholen?«, frage ich.
»Nein«, antwortet Arthur. »Er war unverletzt, als seine Ruhephase begann. Wir alten Hasen springen praktisch aus den Federn, sobald wir erwachen. Es sind mehr so Frischlinge wie du, die Probleme haben, morgens hochzukommen«, erklärt er mit einem Grinsen.
Arthur hat verdammt gute Laune dafür, dass jederzeit Krieg ausbrechen könnte , denke ich und frage mich, ob dahinter der Gedanke steckt, so bald gegen Violette antreten zu können, oder etwas ganz anderes … wie zum Beispiel meine Schwester.
»Ich habe vor ein paar Stunden in New York angerufen«, sagt Vincent und greift wieder nach meiner Hand. Überrascht sehe ich ihn an. »Jules?«, frage ich hoffnungsvoll.
»Nein, ich habe mit Theo Gold gesprochen. Aber er sollte die Nachricht weitergeben. Ich habe darum gebeten, dass Jules so schnell wie möglich mit Verstärkung herkommt.«
Die anderen nicken zwar, wirken aber unsicher. In der Zeit, die allein der Flug kosten würde, konnte die ganze Schlacht längst vorbei sein.
»Charles habe ich vor über einer Woche das letzte Mal erreicht. Seither konnte ich ihm nur eine gefühlte Million Mal die Nachricht hinterlassen, dass wir ihn hier dringend brauchen«, sagt Charlotte. »Auch heute habe ich es wieder versucht, doch keine Antwort. Er und
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