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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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beherrsche, kann ich die Leiden der Bardia erleichtern und ihnen sogar durch die Gabe der Auflösung beistehen, wenn sie ihr Dasein nicht mehr ertragen. Unser erneuertes Bündnis wird sich auch künftig wieder als sehr nützlich erweisen.«
    Mit Mühe blickt er mir nun direkt in die Augen. Auf seinem Gesicht liegt ein Ausdruck, der nicht klar zu deuten ist: Es spiegelt sich etwas zwischen Trauer und Hoffnung darin.
    »Sei vorsichtig, Kate«, sagt er. Nun lehnt er sich vor und umarmt mich wirklich. Es ist eine dieser ungeschickten Umarmungen, bei denen einem auf den Rücken geklopft wird.
    Charlotte erwartet mich in meinem Zimmer. Sie hat meinen Kampfanzug aus dem Sportstudio mitgebracht und trägt selbst schon ihren. Sie sitzt an einem niedrigen Tisch vor einem Tablett und genießt ein paar von Jeannes Köstlichkeiten. Ich stecke mir ein Gougère in den Mund und kann förmlich jede Zutat des Käsewindbeutels schmecken. Sofort lasse ich mich neben Charlotte nieder. »Ich bin kurz vorm Verhungern!«, gestehe ich.
    »Wann hast du das letzte Mal was gegessen?«, fragt sie.
    »Auf dem Boot. Violette wollte, dass ich so schnell wie möglich zu Kräften komme. Hat wohl besser funktioniert, als sie beabsichtigt hatte.« Unweigerlich muss ich an den traurigen Numajungen Louis denken, was mich auf eigenartige Weise berührt.
    Charlotte kaut auf einem Stück Apfel herum, gedanklich ganz woanders.
    »Woran denkst du?«, frage ich.
    »Ambrose«, antwortet sie. »Irgendwie verhält er sich in letzter Zeit auffällig anders.«
    »Auffällig gut oder auffällig schlecht?«, frage ich und stopfe mir ein Melonenbällchen in den Mund.
    »Auffällig absurd«, antwortet sie und sieht bekümmert aus. »Er schaut mich fast permanent an. Ich frage mich, ob er JBs Entscheidung anzweifelt und mir das Amt der Stellvertreterin nicht zutraut. Als würde er nur darauf warten, dass ich irgendwas verbocke oder so.«
    »Hmm«, mache ich und gegen meinen Willen biegen sich meine Mundwinkel nach oben.
    Glücklicherweise klopft es in diesem Moment an der Tür und Arthur steckt den Kopf herein. »Fünfzehn Minuten«, sagt er. Mein Herz setzt einmal aus und ich merke, wie aufgeregt ich bin. Bisher hatte ich nur gekämpft, wenn uns jemand angegriffen hatte. Ich hatte noch nie Zeit gehabt, vorher darüber nachzudenken.
    »Mann, den hat’s voll erwischt«, sagt Charlotte, nachdem er wieder verschwunden ist. »Aber deine Schwester lässt ihn ganz schön zappeln.«
    »Was vielleicht daran liegt, dass Papy und Mamie ausflippen würden, wenn noch eine ihrer Enkelinnen einen Revenant als Freund anschleppt.«
    Charlotte zuckt nur mit den Schultern. »Deine Großeltern sind nun auch in die ganze Sache verstrickt, ob sie wollen oder nicht. Du bist jetzt eine von uns – sie können dich schließlich nicht einfach einpacken und nach Hause bringen.«
    Ich muss an Mamie und Papy denken und ihre Reaktion, als sie mich wiedergesehen haben: Freude und Erleichterung gemischt mit Angst und Verzweiflung. Mein Herz krampft sich zusammen. Werden sie mich je wieder so sehen können wie früher? Ich wechsele das Thema. »Wie fühlt sich das an, Vincents Stellvertreterin zu sein?«
    »Als wäre ich dafür geboren. Als hätte ich die letzten fünfzig Jahre nur auf die Aufgabe gewartet. Und jetzt«, sagt sie, »musst du dich wirklich umziehen. Ich warte in der Eingangshalle auf dich.« Sie steht auf und will schon gehen, da sage ich:
    »Charlotte?«
    »Ja.«
    »Bitte geh nicht.«
    Sie sieht mich aufmerksam an, bevor sie zu mir kommt, um mich in die Arme zu nehmen. »Das alles ist ziemlich beängstigend, oder?«, fragt sie.
    »Ziemlich.«
    Sie drückt mich fest, geht dann zum Bett, um den Anzug zu holen. Ich ziehe die Jeans aus und nehme ihr den Anzug ab.
    »Der Zeitpunkt ist einfach kacke. Und wem haben wir das zu verdanken? Violette«, sagt sie. »Normalerweise hättest du Zeit, dich einzufinden und auszuprobieren, ohne gleich ins kalte Wasser springen zu müssen. Aber immerhin musst du nicht allein losziehen. Du, ich, Ambrose, Vincent und all unsere Anverwandten sind dabei. Wir arbeiten nie allein. Von nun an bist du immer Teil eines großen Ganzen. Und zusammen können wir diese Schlacht gewinnen – davon bin ich überzeugt.«
    Charlottes Zuversicht ist ansteckend. Jede weitere Schicht Schutzkleidung, die ich anlege, ermutigt mich weiter. Ein Gefühl von Bestimmung entfacht meinen Willen. Ich bin eine Bardia. Ganz egal, ob ich mich nun kompetent genug fühle oder nicht, ich

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