Von den Sternen gekuesst
er sich vor und küsst mich.
Er löst sich von mir und ich sehe, dass das Funkeln in seine saphirblauen Augen zurückgekehrt ist. »Also gut«, sagt er.
»Siehst du das jetzt genauso wie ich?«, frage ich.
»Nein, aber … Kate, du bist der Boss.« Er nimmt meine Hand und wir folgen den anderen.
»Als ob«, schnaufe ich. »Du bist ja wohl das Oberhaupt der französischen Bardia.«
»Ja, aber du bist die Meisterin«, sagt er mit einem schiefen Grinsen. »Ich habe zwar noch keine Übersicht gesehen, wie genau sich die Befehlskette wandelt, sobald ein Meister oder eine Meisterin aufersteht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du mir da den Rang abläufst.«
Gespielt schockiert und trotzdem bestürzt lasse ich den Mund offen stehen. »Ich will gar niemandem den Rang ablaufen.«
»Zu spät«, sagt er mit aufgesetzter Leichtigkeit. »Du kannst doch schon jetzt einfach so in die Gedanken anderer quatschen, den Feind davon überzeugen, deine Fesseln zu lösen, um dir bei der Flucht zu helfen. Außerdem strahlst du wie eine Milliarden-Watt-Birne, wenn deine Aura selbst Seher in Deutschland erreicht. Ist nicht gerade so, als könntest du einfach von deinem Amt zurücktreten und ein stinknormaler Revenant werden.« Er gibt sich große Mühe, witzig zu sein, dabei weiß ich, er ist genauso überwältigt wie ich von dem, was aus mir geworden ist.
»Aber irgendwie schade, dass ich nicht alles bekommen habe, was mir versprochen wurde. Ich hab mich vorhin zwar nicht ganz doof angestellt, aber ein bisschen Superkraft wäre schon ganz nützlich gewesen«, sage ich.
»Prophezeiungen sind halt immer etwas vage«, erwidert er. »Vielleicht kommt das mit der Superkraft ja noch.« Er zieht mich näher zu sich, so als könnte allein seine Nähe abwehren, was mir noch bevorsteht.
J eanne erwartet uns schon in der Eingangshalle. »Geht es euch allen gut?«, fragt sie, kaum dass wir durch die Tür treten.
»Was machst du denn hier, liebe Jeanne? Es ist drei Uhr morgens.« Vincent legt ihr eine Hand auf die Schulter, sie blickt ihn verlegen an.
»Ich konnte nicht schlafen«, gesteht sie. »Irgendetwas liegt in der Luft, ich spüre es ganz deutlich. Und ich betreue euch schon lange genug, um zu wissen, dass ich meiner Intuition folgen kann. Frisches Brot ist im Ofen und ein Eintopf köchelt auf dem Herd. Und jetzt antworte mir doch bitte, wurde jemand verletzt?«, fragt sie und versucht, ihre Anspannung zu verbergen.
»Ambrose braucht einen Arzt«, sagt Vincent. Mit gesenkter Stimme fügt er hinzu: »Und Geneviève wurde getötet. Sie haben ihren Leichnam entführt.«
Jeannes Hände fliegen zum Mund. »Oh nein«, entfährt es ihr, Tränen sammeln sich in ihren Augen.
Vincent nickt finster und sieht plötzlich entsetzlich müde aus. In diesem Moment fährt der Rettungswagen auf den Hof. Jeanne tupft sich die Tränen weg und steuert zielsicher das Fahrzeug an. Charlotte hüpft vom Beifahrersitz und öffnet die Hecktür, damit Ambrose und Charles aussteigen können.
»Mir egal, ob die in Leichensäcken stecken oder nicht«, schimpft Ambrose. »Das war das erste und letzte Mal, dass ich in einem Wagen mit so vielen Toten mitfahre.« Er schüttelt sich, stützt seinen verletzten Arm mit dem gesunden und klettert aus dem Wagen. »Mir macht’s echt nichts aus, die abzumurksen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich danach unbedingt noch mit ihnen kuscheln muss.«
Charles springt hinter ihm heraus und Jeanne betrachtet ihn neugierig, bis ihre Augen zu funkeln beginnen. Sie läuft auf ihn zu und wirft sich in seine offenen Arme. » Mon petit Charles, du bist wieder zurück!«, sagt sie ganz gerührt, stellt sich auf die Zehenspitzen und küsst ihn stürmisch auf die Wangen. »Was bin ich froh, dich wiederzusehen.«
»Dito«, sagt Charles mit einem breiten Lächeln.
»Lass dich mal anschauen«, murmelt sie und lässt ihn in seiner ganzen tätowierten und bunt gefärbten Pracht auf sich wirken. »Ich hätte nicht geglaubt, dass ich mich das je sagen höre, aber: Das steht dir alles richtig gut. Allerdings muss ich dazu sagen: Wenn ich dich nicht schon länger kennen würde als meinen eigenen Sohn, würdest du mir mit deinem Aussehen einen Mordsschrecken einjagen. Aber du bist und bleibst mon petit Charles à moi .« Sie schließt ihn noch einmal fest in die Arme und wendet sich dann Ambrose zu.
»Wie schlimm ist es, mein Lieber?«, fragt sie.
»Schlimm genug, dass er einen Arzt braucht«, antwortet Charlotte, die ihm derweil
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