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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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gegen sie.«
    »Was ist passiert? Wie genau hat er das gemacht?«, frage ich. Ich höre zum ersten Mal von einem deutschen Meister.
    Uta zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er war erfolgreich. Die Numa wurden vernichtet und das Land konnte von vorn anfangen. Aber wie er das gemacht hat und welche besonderen Fähigkeiten er hatte, kann ich dir nicht sagen.«
    »Warum nicht?«, frage ich.
    Uta zögert. »Weil er die Schlacht nicht überlebt hat.«
    Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, was in mir vorgeht. Kein Wunder, dass Vincent nicht mit mir über mein Schicksal sprechen möchte. Ich bin zwar die Meisterin, aber das heißt noch lange nicht, dass ich nach dem Sieg auch überleben werde. Das hat Uta gerade bestätigt.
    Dabei bedaure ich nicht, ein Revenant geworden zu sein. Im Gegenteil, denn sonst wäre ich jetzt tot. Wenn in mir nicht schon ein Revenant geschlummert hätte, als Violette mich erstach, wäre ich jetzt Geschichte. Das ist eine zweite Chance, nicht nur für mich, sondern auch für die Bardia der Stadt Paris und ihre ahnungslose Bevölkerung.
    Was würde wohl mit Paris passieren, wenn die Numa hier die Oberhand gewännen? Das Böse würde vorherrschen. Bilder von Nazideutschland, dem faschistischen Italien und dem Spanien unter Franco drängen sich auf. Von Entwicklungsländern, in denen Diktatoren oder Generäle an der Macht sind und die Bevölkerung unterdrücken, sie und die Ressourcen des Landes restlos ausbeuten. Völkermord. All das kann passieren, wenn es zu einem Ungleichgewicht zwischen Gut und Böse kommt. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es mir durchaus möglich, dass ich etwas bewirken kann.
    Wie ich es auch drehe und wende, ich bin froh darüber, diese Chance bekommen zu haben. Sie hat mir ermöglicht, meine Großeltern und meine Schwester wiederzusehen. Von Vincent ganz zu schweigen. Ich schaue zu ihm, und obwohl er in eine Unterhaltung mit Louis vertieft ist, erwidert er meinen Blick, bevor er sich wieder dem jungen Numa widmet. Selbst wenn er mit etwas ganz anderem beschäftigt ist, verliert er mich nicht aus den Augen. Ich weiß, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass mir mehr Zeit mit ihm geschenkt wurde.
    Und wenn wir heute alle sterben, wenn uns nur noch ein paar Minuten oder Stunden bleiben, dann sollen sie sich wenigstens lohnen. Ich verabschiede mich vorübergehend von Uta und laufe zu Vincent.
    Ohne langsamer zu werden, legt er mir einen Arm um die Schultern und zieht mich zu sich. Dann drückt er mir einen Kuss auf den Kopf und richtet, seine Aufmerksamkeit wieder auf Louis. Als der junge Numa seine Erzählung beendet, sieht Vincent beunruhigt aus.
    »Seit ich zu diesem Monster geworden bin, habe ich nur einen einzigen Wunsch: die Zeit zurückzudrehen, damit ich diesen Fehler nicht mache. Ich will aussteigen«, schließt er.
    »Man kann aber nicht aussteigen«, sagt Vincent gerade laut genug, dass ich ihn verstehe.
    »Egal, ob das geht oder nicht, ich werde jedenfalls alles tun, um diesem Schicksal zu entgehen, das sollten Sie wissen«, verkündet Louis mit leidenschaftlichem Nachdruck.
    Wir passieren erneut den Platz vorm Louvre und betreten die Brücke, die uns wieder ans Rive Gauche bringen wird. Vincent nickt Arthur zu, der Louis am Arm fasst. Sie lassen sich zurückfallen, damit wir uns allein unterhalten können.
    »Also gut, Kate, ich verstehe, warum seine Geschichte dich nachdenklich macht«, sagt Vincent. »Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Numa ist. Sein Schicksal steht fest, daran lässt sich nichts mehr ändern.«
    »Wahrscheinlich hört sich das jetzt ziemlich schräg an, aber bei ihm ist etwas anders. Das ist nicht nur ein Gefühl, auch sein Nimbus sieht anders aus.«
    »Sein Nimbus?«, fragt Vincent erstaunt. »Wieso? Hat er denn keinen Numa-Schein?«
    »Doch«, gebe ich zu. »Aber er unterscheidet sich von dem der anderen. Etwas Goldenes glänzt darin, und das muss einfach etwas bedeuten. Ich glaube, es zeigt, dass noch etwas Gutes in ihm steckt. Dass da Hoffnung ist. Ich weiß, das widerspricht allem, was du bisher gehört hast – und allem, an das du glaubst. Aber … Louis muss einfach mit uns mitkommen.«
    Vincent wird langsamer und bleibt dann stehen, um mich anzusehen. Die anderen laufen weiter, umspülen uns wie ein Fluss eine Insel. Vincent streichelt mein Gesicht. So betrachtet er mich sicher eine geschlagene Minute, studiert mich, als wäre ich ein Buch, das in einer fremden Sprache geschrieben wurde. Dann beugt

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