Von den Sternen gekuesst
Mamie, stand auf, glättete flink ihren Rock und scheuchte uns dann zur Wohnungstür.
»Macht es dir nichts aus, allein hierzubleiben?«, fragte ich. Ihre aufgesetzte Gelassenheit machte mich wahnsinnig.
»Monsieur Grimods Einladung galt auch für mich, aber ich bin lieber hier und arbeite, als den lieben langen Tag tatenlos im Haus eines Fremdem herumzusitzen. Er hat versprochen, dass unsere Wohnung bewacht wird, genauso Papys Geschäft, insofern musst du dir um uns keine Sorgen machen«, erklärte sie.
Ambrose und Arthur erwarteten uns vorm Haus. » Bonjour, Madame Mercier«, riefen sie im Chor und Mamie lächelte ihnen freundlich zu. »Was für wohlerzogene Jungs«, sagte sie anerkennend und schaute uns vom Türabsatz aus noch ein Weilchen nach.
Arthur bot Georgia seinen Arm an, doch sie tat so, als hätte sie das nicht bemerkt, deutete auf ein Filmplakat, das an einem Zeitungskiosk hing, und fing ein Gespräch über die neusten Hollywoodfilme an. Ambrose schmunzelte und zwinkerte mir zu. »Deine Schwester treibt den armen Kerl noch in den Wahnsinn.« Er biss in das Croissant, das Georgia ihm gegeben hatte, und schon war es zur Hälfte verschwunden.
»Ja, das ist ihre große Stärke«, erwiderte ich trocken. »Also, wie ist der Stand der Dinge? Jules hat mir schon geschrieben, dass es nichts Neues gibt, aber irgendwas müsst ihr ja gemacht haben.« Ich steckte mir das letzte Eckchen meines Croissants in den Mund und leckte noch die Krümel von den Lippen.
»Wir waren die ganze Nacht unterwegs und haben Paris nach Violette und ihrem Gefolge durchkämmt. Ohne Erfolg«, sagte er und sah beunruhigt aus. »Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Unterstützt von buchstäblich allen verbliebenen Pariser Revenants versuchen gerade Jules, Charlotte und Geneviève ihr Glück.«
»Abgesehen von dir und Arthur«, merkte ich an.
»Und Franck, der ist volant. « Ambrose deutete ins Nirgendwo. »Ja, wir drei haben den Auftrag, auf euch aufzupassen und La Maison vor eventuellen ›Überraschungsangriffen‹ zu schützen.« Beim Wort Überraschungsangriff machte er Gänsefüßchen in die Luft. Ganz offensichtlich war er nicht gerade begeistert davon, an das Haus gebunden zu sein.
»Sobald wir Georgia abgeliefert haben, können wir beide uns doch dem Suchtrupp anschließen. La Maison ist so gut gesichert, dass Arthur allein die Stellung halten kann.«
Ambrose wirkte skeptisch. »Das kannst du nachher ja Gaspard vorschlagen, wenn du willst«, antwortete er und es war klar, was er von der Idee hielt.
»Gaspard ist also nicht mit auf der Suche?«, fragte ich.
»Nein. Er und JB horchen unseren Gast aus«, antwortete er. »Sie wollen herausfinden, ob man Vincent irgendwie von Violette lösen kann. Und versuchen, Bran das eine oder andere guérisseur -Geheimnis zu entlocken.«
JB und Gaspard gingen also auch davon aus, dass Bran etwas wusste, womit wir Vincent helfen könnten. Merklich keimte wieder Hoffnung in mir auf. Am liebsten wäre ich das verbliebene Stück bis zur Revenantresidenz gerannt, doch Ambrose und Arthur taten so, als hätten wir alle Zeit der Welt.
Nach nur zwei Blocks blieb Arthur dann abrupt stehen und sah sich um. »Numa«, murmelte er. »Franck sagt, da waren zwei im Park gegenüber von Kates und Georgias Zuhause. Sie sind ihm aber erst aufgefallen, seit sie uns verfolgen.«
»Nicht umsehen«, mahnte Ambrose, als ich genau das tat. Zwei junge Typen in Kapuzenpullis, die – abgesehen von der farblosen Numa-Aura, die sie umgab – völlig unscheinbar wirkten, hatten den Park gerade hinter sich gelassen und waren nun auf der Rue du Bac unterwegs. Sie machten keine Anstalten zu verschleiern, dass sie uns folgten, sondern hielten meinem Blick sogar stand.
»Laufen oder raufen?«, fragte Ambrose an Arthur gerichtet. Mit einem breiten Grinsen tätschelte er das Schwert, das von seinem langen Mantel verborgen an seinem Gürtel hing.
Unterstützt von ihrer uniformierten ambulanten Pflegekraft bewegte sich eine ältere Frau langsam an uns vorbei und steuerte auf die sich nähernden Numa zu. Arthur hob eine Augenbraue. »Mit sterblichen Zeugen? Das kannst du nicht im Ernst fragen«, antwortete er. »Entweder wir legen einen Zahn zu, um eine Konfrontation zu umgehen, oder wir warten, bis sie bei uns sind, und finden heraus, was sie wollen.«
Schulter an Schulter stellten sich Arthur und Ambrose wie eine Verteidigungsmauer vor Georgia und mich. Genau in diesem Moment drehten die Numa ab, überquerten die
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