Von den Sternen gekuesst
solches Ritual gibt, dann entbehren wir Bardia davon jeder Kenntnis. Ist das wirklich möglich?«
Bran nickte. »Ja, ist es. Und in Ihren Aufzeichnungen gibt es dazu keinen einzigen Vermerk? Das überrascht mich …«
»Keinen einzigen Vermerk«, bestätigte Gaspard. »Es scheint mir, als sei mit dem Verlust jeglichen Kontaktes zwischen unseren beiden Traditionslinien auch der einst sicher ausgesprochen lebhafte Informationsaustausch verloren gegangen.«
Bran rieb sich mit den Fingern über die Stirn und sah uns zweifelnd an, als wäre er mit einem Mal unsicher, ob er weitersprechen sollte. »Unser Familienarchiv ist sehr gut versteckt und sehr gut geschützt, damit sich kein Unbefugter Zutritt verschaffen kann. Und als unbefugt gilt jede Person, die nicht zu meiner Familie gehört oder kein signum bardia trägt, und ganz besonders alle Revenants. Ich bin immer davon ausgegangen, man wollte auf diesem Weg verhindern, dass unser Wissen in die Hände der Numa gelangt, die es dann gegen uns hätten nutzen können. Oder gegen Sie. Aber ich war überzeugt davon, dass die Bardia über das gleiche Wissen verfügen wie wir. Zumindest, was diese wichtigen Rituale betrifft. Vielleicht habe ich schon zu viel gesagt, aber in diesem Fall schätze ich, ist meine Indiskretion entschuldbar.«
Er räusperte sich und fuhr fort. »Wie man einen Körper wiederherstellt, wurde von einem meiner Vorfahren vor unzähligen Jahrhunderten schriftlich festgehalten. In dieser Aufzeichnung steht, dass es für einen Revenant, dessen Körper gegen seinen Willen vernichtet wird und der fortan sein Dasein als wandernde Seele fristen muss, einen Ausweg gibt. Sein Körper kann nachgebildet und wieder mit seiner Seele verknüpft werden. Ich weiß jedoch nicht, wie genau das Ritual funktioniert, ich weiß nur, dass es existiert.«
Während die Bedeutung von Brans Worten allmählich sackte, wurde mir schwindlig. Bisher war Vincent stumm geblieben, doch nun meldete er sich. Freu dich nicht zu früh, Kate. Wahrscheinlich ist das nur eine Legende. Eine Geschichte.
Aber ich konnte mir nicht helfen. Dieser schwache Hoffnungsschimmer hatte meine Verzweiflung bereits vertrieben. Es gab vielleicht eine Möglichkeit, Vincent zurückzubringen. Schon diese kleine Aussicht reichte, mich mit Zuversicht zu erfüllen.
»Gibt es diese Aufzeichnungen noch?«, fragte Jean-Baptiste.
»Ja, sie stehen im gleichen Buch, in dem sich auch die Informationen befinden, nach denen Violette sucht. Ich muss Sie jedoch vorwarnen. Obwohl ich mich daran erinnere, dass meine Mutter mir eine Geschichte über die Rückgewinnung eines Körpers vorgelesen hat, so kann ich nicht dafür bürgen, damit auch genaue Angaben über das Ritual liefern zu können. Das könnte eine Sackgasse sein.«
»Einerlei, jeder weitere Anhaltspunkt ist mehr, als wir augenblicklich haben. Wir werden sofort jemanden losschicken, um Ihre Aufzeichnungen zu holen.« JB war schon unterwegs zur Zimmertür. »Wo befinden sie sich?«
Bran zögerte. »An einem Ort, den Revenants nicht betreten können«, sagte er schließlich, weshalb JB unmittelbar stehen blieb und sich zu ihm umdrehte. Sein Gesichtsausdruck lag irgendwo zwischen verblüfft und wütend.
»Und wie steht’s mit Sterblichen?«, fragte ich. »Ich melde mich freiwillig.«
Nein , sagte Vincent. Ich ignorierte ihn und behielt Bran im Blick.
»Meine liebe Kate, wir sind darum bemüht, dich vor sämtlichen Gefahrenquellen fernzuhalten, und nicht, dich absichtlich welchen auszusetzen«, wandte Gaspard ein.
»Da Kate über ein signum bardia verfügt, wäre es ihr sogar tatsächlich möglich, unser Familienarchiv zu betreten«, sagte Bran nachdenklich. Während er diese Option in Erwägung zog, kratzte er sein stoppeliges Kinn.
»Vincent protestiert aufs Energischste dagegen, dass Kate sich allein dorthin begibt«, mahnte Gaspard mit erhobenem Zeigefinger.
»Sie können sie ja bis zum Eingang begleiten, falls Sie um ihre Sicherheit unterwegs besorgt sind«, sagte Bran, »sobald sie sich im Archiv befindet, ist sie jedoch absolut sicher.«
»Ich gehe dahin, Vincent«, verkündete ich. »Selbst wenn die Chance, dich zurückzubekommen, noch so klein ist, kannst du mich davon nicht abhalten.«
Aber , mon ange, setzte er an.
»Nein! Ich will gar nichts hören. Jean-Baptiste, du sorgst doch sicher dafür, dass mich jemand begleitet, oder?«
»Aber natürlich, mein liebes Kind«, sagte er sofort.
»Laut Brans eigener Aussage bin ich im Archiv völlig
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