Von den Sternen gekuesst
Geste machte er einen Schritt zurück. »Bitte, Monsieur Mercier, kommen Sie doch herein.« Dann deutete er Richtung Treppe. »Am besten gehen wir in die Bibliothek.«
»Die sehen eher so aus, als würden sie sich gleich zusammen auf die Jagd oder in einen muffigen Altherrenklub begeben und nicht in die Bibliothek, um darüber zu beratschlagen, wie mein unsterblicher Freund wieder zu einem Körper kommen kann«, flüsterte ich Georgia zu, während wir ihnen in die Eingangshalle folgten.
»Vielleicht beratschlagen alte Herren ja genau das, wenn sie in ihren Ledersesseln sitzen und dicke Zigarren paffen«, antwortete Georgia mit einem Grinsen. »Und wir denken die ganze Zeit, es handelt sich um Gespräche über Wertpapiere oder Immobilienpreise.«
Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich und Arthur betrat die Eingangshalle. » Bonjour , Georgia«, sagte er und steuerte schnellen Schrittes auf uns zu. Er nahm ihre Hand und wollte sie gerade an seine Lippen führen, als ihm wohl wieder einfiel, in welchem Jahrhundert wir lebten, und er sich doch spontan zu Wangenküsschen umentschied. »Wie geht es dir?«
Georgia wandte ihm ihr Gesicht zu, damit er sich selbst ein Bild machen konnte. »Sieht schon viel besser aus oder was meinst du?«, fragte sie.
»Ja, stimmt, du siehst …« Er hätte fast »wunderschön« gesagt, da war ich mir sicher. Doch er hielt sich zurück und sagte stattdessen: »… viel besser aus. Es freut mich sehr, dass alles so gut verheilt.«
Kokett lächelte Georgia ihn an. »Das war wirklich sehr lieb von dir, heute Morgen anzurufen und mir all die schönen Nachrichten zu hinterlassen. Es tut mir sehr leid, dass ich mich bisher nicht gemeldet habe. Ich lasse mir gerade viel Zeit bei allem. Um wieder richtig gesund zu werden, verstehst du?«
»Aber natürlich!«, entfuhr es Arthur, der sich verlegen sein schulterlanges Haar hinter die Ohren strich. Er hatte sich offenbar nicht rasiert, außerdem trug er eine schwarze Jeans und ein T-Shirt statt der sonst üblichen Anzughose inklusive Hemd. Ich musste grinsen. Arthur legte sich wirklich für meine Schwester ins Zeug.
»Ich habe auch nicht mit einem Anruf gerechnet«, sagte er. »Ich wollte nur von mir hören lassen. Wollen wir in die Küche gehen, damit ich dir etwas zu trinken anbieten kann? Hast du schon zu Mittag gegessen? Bist du hungrig?«
Sie waren schon fast durch die Tür Richtung Küche, als Georgia sich noch einmal über die Schulter zu mir umsah und siegessicher mit den Augenbrauen wackelte, bevor sie sich Arthur ganz widmete. Wieder einmal fiel es mir schwer, nicht laut loszulachen. Georgia beherrschte dieses Spiel wie keine andere. Und diesmal ging sie mit allergrößter Sorgfalt vor.
Mon ange , sagte eine Stimme in meinem Kopf.
»Ich hab mich schon gefragt, wo du steckst«, murmelte ich und folgte Papy und Jean-Baptiste eine der beiden wuchtigen Treppen hinauf.
Ihr habt etwas gefunden, nicht wahr? Deine Wangen sind vor Aufregung ganz rosig. Und ich muss ganz ehrlich sagen , das steht dir richtig gut ,mon amour . Wäre es völlig fehl am Platze, wenn ich dir sage, wie hinreißend du gerade aussiehst?
Ich legte mir die Fingerspitzen an die Wangen und spürte, dass sie sogar noch röter wurden. »Ja, ziemlich fehl am Platze«, scherzte ich. Dabei strahlte ich innerlich über dieses Kompliment. Wie immer.
Was habt ihr entdeckt? , fragte er amüsiert.
»Ein altes Auktionsverzeichnis mit einem Verweis auf den Kauf einer Sammlung, zu der möglicherweise das gesuchte Thymaterion gehört.«
Das ist auf jeden Fall mehr, als Gaspard und Bran bisher auftun konnten. Weil sie keine Hinweise auf das Gefäß finden konnten, haben sie die Suche auf alles ausgeweitet, was möglicherweise die gleichen Symbole trägt, von denen in der Geschichte die Rede ist. Symbole, die erklären können, wie das Ritual durchgeführt werden muss.
»Und, hatten sie Erfolg?«
Nein.
Ich betrat die Bibliothek, als mein Großvater gerade Gaspard die Hand schüttelte und dann Bran. Die vier Männer versammelten sich um den Tisch und Jean-Baptiste rückte wie ein Nobelmann einen Stuhl für mich zurecht.
Papy legte als Erstes das Auktionsverzeichnis auf den Tisch. Dann erklärte er ihnen, wenn das Thymiaterion nicht in einem Museum oder einer der Öffentlichkeit zugänglichen Sammlung ausgestellt war – wovon er ausging, sonst wäre es ihm bekannt –, müsse es sich in Privatbesitz befinden. Weiterhin erwähnte er kurz das ominöse Auftauchen von Antiquitäten
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