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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Reihen davon in Kenntnis zu setzen. Das ging weit über normales Verhandeln hinaus. Das grenzte ja schon an Verrat.
    Vincent war offensichtlich genauso bestürzt wie ich. Er zerknüllte rastlos seine Serviette. »Das ist nicht wahr«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Die vermietet er doch alle.«
    Theodore lächelte Vincent betrübt an. »Und wer kümmert sich um die Mieter? Schickt er je einen von euch dorthin, der dort irgendetwas erledigen muss?«
    »Nein, das macht er alles selbst«, antwortete Vincent.
    »Und als er das Angriffsverbot aufhob, hat er da erwähnt, dass die Numa genau dort zu finden wären?«
    »Nein«, sagte Vincent und ließ niedergeschlagen den Kopf hängen. »Und das sind so ungefähr die letzten Orte, an denen wir sie vermutet hätten.«
    »Ich kann sogar nachvollziehen, warum er nicht wollte, dass irgendwer die Details dieses Abkommens erfährt, es geht hier schließlich um seinen Stolz. Er hat den Karren ganz schön tief in den Dreck gesetzt und bekommt ihn da nicht wieder raus, ohne das Gesicht zu verlieren. Bei dem Anruf hat er noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich die ›alte Angelegenheit‹ bitte ruhen lassen solle. Und das habe ich auch. Bis jetzt. Weil ich euch sonst nicht mit gutem Gewissen hätte zurück nach Paris schicken können.
    Dabei beunruhigt es mich weniger, dass sich die Numa gut geschützt in für euch bisher unbekannten Unterschlupfen verstecken, sondern vielmehr, dass ihr einem Anführer folgt, der euch schon einmal betrogen hat. Der bisher nicht mal vor seinen eigenen Anverwandten mit offenen Karten spielt, obwohl ihm bewusst sein muss, welcher Gefahr er sie damit aussetzt.« Theo nahm sein Wasserglas in die Hand.
    »Ein Anführer, der geheime Abkommen mit seinen Feinden schließt, sollte in dieser kritischen Phase keine weiteren Entscheidungen für seine Anverwandten treffen. Wenn Violette wild entschlossen ist, die Pariser Revenants zu stürzen – ob nun mit den Kräften des Meisters oder ohne – ist sie eine ernst zu nehmende Gefahr. Dann braucht ihr jemanden, dem ihr euer Leben in diesem bevorstehenden Kampf bedingungslos anvertrauen könnt.«
    Er beugte sich vor, bis Vincent ihm in die Augen sah. »Ich weiß, dass du in Jean-Baptiste so etwas wie einen Vater siehst«, sagte er. »Aber ich verlange von dir, Vincent Delacroix, diese Informationen an deine Anverwandten weiterzutragen. Sonst klebt ihr Blut auch an deinen Händen, wenn die Zeit gekommen ist und die Schlacht beginnt.«

W ir verabschiedeten uns von Theodore, versprachen ihm, ihn über das Geschehen in Paris auf dem Laufenden zu halten. Dann gingen wir schweigend zum Hotel. Vincent hatte Theos Schilderung zutiefst verstört und ich war mir sicher, dass er alles Gesagte noch einmal gedanklich Revue passieren ließ. »Geht’s dir gut?«, fragte ich, als wir die Hotellobby betraten.
    Vincent drückte mich an sich und gab mir geistesabwesend einen Kuss auf den Kopf. »Ja. Also, ich meine, nein. Es fällt mir wirklich schwer, mir vorzustellen, dass Jean-Baptiste etwas so Wichtiges vor uns geheim halten würde. Und dann auch noch über so viele Jahre. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich ihn gar nicht richtig kenne. Und dabei ist er doch wie ein Vater für mich.«
    »Aber er wollte euch doch bloß beschützen«, sagte ich, obwohl mir die Rolle als Anwalt des Teufels gar nicht richtig passte.
    »Ich weiß. Nur die Art und Weise … Und die Tatsache, dass er unseren Feinden quasi sichere Zufluchtsorte stellte, ohne uns darüber zu informieren … Ich verstehe das einfach nicht.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich und griff nach seinen Händen. Ich sah ihn so lange an, bis er meinen Blick erwiderte.
    »Nein, mir tut es leid«, betonte er. »Und du brauchst dir darüber keine Gedanken zu machen. Ich kann sowieso nichts unternehmen, ehe wir in Paris sind. Außerdem musst du schlafen, schließlich fliegen wir morgen ziemlich früh ab.« Vincent beugte sich zu mir und küsste mich ganz leicht auf den Mund, was eine Million kleiner Schmetterlinge in mir zum Leben erweckte. »Ich bringe dich noch zu deinem Zimmer.«
    Ich roch ihn schon, bevor ich das Licht einschaltete. Flieder. Ein riesiger Strauß aus weißen Fliederzweigen stand in einer Vase auf dem Nachttisch. Ihr Duft und ihre Anmut verwandelten das schlichte Hotelzimmer in ein präraphaelitisches Gemälde. Ich schaute zu Vincent, der geradezu spitzbübisch grinste.
    »Wann hast du das denn bitte arrangiert?«, fragte ich fassungslos.

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