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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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»Wir waren doch den ganzen Tag zusammen.«
    »Ich habe heute Morgen einen Umschlag mit einer entsprechenden Bestellung und dem nötigen Geld an der Rezeption hinterlassen«, gestand er und wirkte durch und durch zufrieden mit dem Ergebnis dieser List. »Du hast mir mal erzählt, wie sehr du den Geruch von Flieder liebst. Ich dachte, vielleicht bringen dir die Zweige süße Träume, schließlich kann ich dir gerade keine Gedichte von Pablo Neruda ins Unterbewusstsein flüstern.«
    Ich atmete ihren frischen, blumigen Duft tief ein. Vincent lehnte im Türrahmen und strahlte vor Freude. »Möchtest du nicht hereinkommen?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf und lächelte schief. »Ich habe doch nicht nur zum Spaß ein eigenes Zimmer gemietet. Außerdem habe ich unsere Zeit in Südfrankreich genauso wenig vergessen wie deinen absolut verständlichen und trotzdem fast unerträglichen Wunsch zu warten. Aus diesem Anlass: Du. Ich. Betten. Schlechte Idee. Ich schnappe mir nur die hier«, er nahm ein paar der nagelneuen Bücher aus der Tasche, »und mach mich auf den Weg. Mir ist jede Ablenkung willkommen, die mich davon abhält, weiter über diese ganze Sache mit Jean-Baptiste zu grübeln. Ich kann ja sowieso erst in Paris irgendwas unternehmen.«
    »Was genau hast du denn vor?«, fragte ich, dabei beschäftigte mich gerade alles andere als Jean-Baptiste. Meine Gedanken kreisten eigentlich nur um Vincent, wie er da mit verstrubbelten Haaren und breiten Schultern nicht ganz in, aber auch nicht ganz vor meinem Hotelzimmer stand. In mir kämpfte die Entschlossenheit, ihn nicht zu sehr in Versuchung zu führen, mit dem Verlangen, mich ihm an den Hals zu werfen, bevor er gehen konnte.
    »Das weiß ich noch nicht«, antwortete er und knetete sich besorgt den Nacken. Vincents Gedanken kreisten sehr offensichtlich nicht in den gleichen Bahnen wie meine. Sonst hätte er weder sprechen, geschweige denn irgendwelche Pläne schmieden können. Mir war klar, dass die Entscheidung, die ich in Südfrankreich getroffen hatte, nicht mehr lange weiterbestehen würde.
    »Na, dann Gute Nacht.« Ich schlang ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen langen, intensiven Kuss. In ihm lagen alle Emotionen des Tages, sowohl die wundervollen als auch die banalen.
    Ich hatte Vincent fast verloren, nun war er doch zurück. Und nicht nur er, sondern mein ganzes Leben. Eben auch die Vergangenheit, die ich so vehement weggeschoben hatte. Jetzt waren Vergangenheit und Gegenwart wieder vereint und ich fing endlich an, so etwas wie Vollkommenheit zu spüren.
    Vincent musste die tiefere Bedeutung des Kusses verstanden haben. Das zeigte mir sein Lächeln, während er erst mein Gesicht und dann meine Haare mit den Fingerspitzen berührte. Es schien ihm ungefähr genauso schwerzufallen, sich von mir loszureißen, wie mir, denn nach einem weiteren, diesmal eher hastigen Kuss, sprintete er geradezu aus dem Zimmer und schloss schnell die Tür hinter sich.
    Ich zog die Straßenklamotten aus und das übergroße T-Shirt zum Schlafen an. Kaum saß ich auf dem Bett, rannten mir die Gedanken davon. Fast wäre Vincent für immer weg gewesen. Und ich konnte ihn jederzeit wieder verlieren. Bei diesem irdischen Sein gab es einfach keine Garantie: Was gerade noch da war, konnte schon im nächsten Moment verschwunden sein. Wie meine Eltern. Oder das Verlangen, Vincent richtig nah zu sein. Ihn mit mehr als nur Herz und Verstand zu lieben.
    Das Verlangen vom Morgen überfiel mich erneut, und zwar mit voller Wucht. Da hatte ich erkannt, dass ich bereit war. Dass der Augenblick stimmte. Jetzt war Vincent zurück und die Möglichkeit zum Greifen nah. Konnte das etwas an meiner Einstellung ändern? Und in dem Moment wurde mir klar, dass ich genau wusste, was ich wollte. Und zwar mit hundertprozentiger Sicherheit.
    Ich griff nach der Vase mit dem Fliederstrauß und meinem Zimmerschlüssel und sandte ein Stoßgebet Richtung Himmel, dass mir niemand begegnen würde, wenn ich in T-Shirt und Unterhose über den Flur huschte.
    Schnell die Treppe hoch und schon stand ich nervös vor der Tür zu Vincents Hotelzimmer. Ich klopfte. Mit amüsiertem Gesichtsausdruck öffnete er. »Welchem Umstand verdanke ich denn diesen Überraschungsbesuch?« Dann sah er den Fliederstrauß und wirkte plötzlich verwirrt. »Gefallen dir die Blumen doch nicht?«
    Ich zwängte mich an ihm vorbei ins Zimmer und stellte die Vase auf einen niedrigen Tisch. »Ich will in deiner Nähe sein«, sagte ich.
    Vincent

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