Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
Zeit zum Fenster raus. Warum ich überhaupt auf ihn zu sprechen komme? Ich meinte mich da sehr klar ausgedrückt zu haben. Weil er an der Literatur des 21. Jahrhunderts arbeitet, darum, und mich das wahnsinnig interessiert, weiter nichts. Und wenn ich auch nicht mehr weiß, was »Eifersucht« bedeutet (ich habe das Wort ja mit dem Cutter aus dem Lexikon herausgeschnitten), bin ich doch ein klein wenig auf ihn fixiert, in rein literarischer Hinsicht, meine ich, da ist nichts Pathologisches oder Sexuelles, bleiben wir ganz ruhig. Wir reden nicht mehr über ihn, damit hat sich der Fall. Nein, Kriminalromane schreibt er nicht, passt auf, was ihr sagt, er arbeitet, von einigen Freunden darin unterstützt, an der Literatur des 21. Jahrhunderts. Ja, ich könnte ihn dabei ebenfalls unterstützen, ich weiß genau, wie man das macht. Und warum tue ich es nicht? Ganz einfach, weil ich, erstens, keinen Moment Zeit habe, das scheint ihr vergessen zu haben. Zweitens, weil schon mehrere andere Leute das übernommen haben, ich sagte es gerade. Und es wäre absurd, wenn wir zu Hundert die Karre schieben wollten. Außerdem, wer würde sich dann um unsere Liebesangelegenheiten und um die Menschheit kümmern?
Ich.
Entspannt euch (ich benutze den Ausdruck nun umso gelassener, als ich ihn nur mir selbst gestohlen habe). Ja, ich kümmere mich darum. Warum, glaubt ihr, stehe ich sonst hier um acht Uhr abends an der Villette, an diesem trostlosen Ort und bei eisigem Wind, und erzähle euch was von einem unterschwelligen Konzept dicht an der Transparenz? Ich kümmere mich um die Wunden der Menschheit und um eure Glückseligkeit, und glaubt mir, da kommt was auf euch zu. Legt mir ordentlich Holz nach, geizt nicht mit den Mengen. Wir klotzen jetzt ran.
Ich und ihr.
Das erinnert euch an den Anfang des Buches, ihr seht, ich verliere den Faden nicht, wie oft muss ich euch das noch sagen? Ihr seid Skeptiker, versucht euch zu entkrampfen, wir werden es nie schaffen, wenn ihr steif wie die Holzscheite herumsteht. Es macht mir Sorge, wenn ich sehe, wie nervös ihr seid. Zeichnet »Das sterbende Griechenland auf den Ruinen von Athen«, das wird euch erheblich beruhigen. Nun, koloriert es, mischt gut die Farben in den Näpfchen, fügt auch etwas Violett hinzu.
Ich und ihr. Zunächst macht ihr euch ja einen Lenz, während ich mir ein Konzept nach dem anderen ausdenke, aber das ist mein Job, ich beklage mich nicht.Doch ohne euch, was täte ich mit diesen Tonnen von Konzepten, die ich nahezu pausenlos ausspucke, ohne euch, die ihr sie anhört, ohne euch, die ihr sie versteht und augenblicklich zur Anwendung bringt für das Wohl eurer Glückseligkeit und das der Menschheit, ja, ohne euch wären wir aufgeschmissen und könnten ebenso gut alles über Bord werfen. Das liegt auf der Hand. Könnt ihr mir folgen?
Könnt ihr mir folgen?
Nutzt meine Gelassenheit nicht aus, strengt euren Grips ein bisschen an, ich weiß, ihr habt Hunger, das ist normal, später werden wir uns darum kümmern, wir können ja inzwischen immer noch das Holz vom Heizkessel essen, aber ich flehe euch an, versucht zu verstehen.
Danke. Ich wusste, dass ich auf euch zählen kann. Die Konzepte, die ihr geschluckt, und die Flugblätter, die ihr unter eurem Mantel befördert habt, beeilt euch, sie an jemand anders weiterzugeben, einen Nachbarn, einen Feind, einen Gefährten, einen Bruder, wir müssen drei Milliarden Menschen erreichen plus einen. Die Mehrheit also. Sind wir erst da angekommen, neigt sich die Waage zum Frieden in der Welt und zum Brot im Bauch. Mit Fleisch, wennmöglich und wenn es nicht zu viel verlangt ist. Nein, es ist nicht zu viel verlangt, im Gegenteil. Kapiert ihr, wie das läuft? Schon mal was von Synergie gehört? Samstag also. Am Samstag wird mit den ersten Strahlen von ich weiß nicht mehr welcher Sonne der große Friede in eure Seele und in die Welt einziehen. Ihr und die Welt. Was dasselbe ist. Erinnert euch.
Wenn ich sage, dass er in Burkina Faso ist, bin ich vielleicht weit von der Wahrheit entfernt. Womöglich ist er in Australien. Und das ist nicht gerade nebenan.
Nein, tut mir leid, aber gerade in diesem Moment sollte uns nicht das Holz ausgehen. Es ist mir völlig egal, welche Probleme der Lieferant mit seinem Lieferanten hat, ich will es nicht wissen, wir brauchen Treibstoff, reißt die Türen heraus, die Fensterläden, die Zäune und verfeuert mir das ganze Zeug im Kessel, verdammt, es geht um die Menschheit, es ist zehn Uhr abends, und ich falle
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