Von der Liebe verschlungen
Als ich ihn davon nicht mehr wegbekam, setzte ich einen neuen Schnitt am anderen Ellbogen und machte weiter, bis das Blud nur noch träge floss und die Weinflasche halb voll war. Bei seinem Trinken und meiner säuberlichen Aktion hatten wir nicht einen Tropfen Blud verschüttet.
Schließlich ließ Casper den Arm des Meuchelmörders in dessen Schoß fallen und leckte sich selig über die Lippen. Ich hielt die Flasche hoch und mit einem Freudenschrei zog er mich in eine Umarmung.
»Du wunderschönes, kluges Mädchen.«
»Ich kann dich schließlich nicht wahnsinnig werden lassen, jetzt, da wir so kurz vor Frostland sind, oder?«
Und gerade in dem Moment, als er mich küssen wollte, gingen die Lichter wieder an, und ganz plötzlich war die Gestalt des Söldners, die vorher gnädig die Schatten verborgen hatten, das größte Ding in dieser winzigen Schachtel von einem Badezimmer.
»Raus aus dem Fenster mit ihm, oder was meinst du?«, fragte Casper, und ich nickte.
»Aber vorher müssen wir ihn … wie würde Keen es ausdrücken? Fleddern. Und wieso trägt er eine dunkle Schutzbrille?«
»Nachtsicht«, antwortete Casper schulterzuckend. »So konnte er weiterhin sehen, nachdem die Lichter aus waren.«
Ich gab ihm die Flasche und knöpfte vorsichtig die Jacke des Meuchelmörders auf. Der Kerl trug Lederkleidung in der Farbe der Schatten; damit war er bestens angezogen für hinterlistige Überfälle. Ich zog ihm Kopfbedeckung und Schutzbrille aus, und darunter kamen eisweißes Haar und Augen von derselben Farbe wie meine zum Vorschein. Wie sich herausstellte, steckte das Messer so tief in seinem Brustkorb, dass der Griff bis ins Fleisch eingedrungen war, was es schwierig machte, seine Jacke zu durchsuchen. Nichtsdestotrotz war ich stolz auf diesen Beweis meiner Stärke und meines rechtschaffenen Zorns.
Endlich fand ich, wonach ich gesucht hatte. Ich holte das Bündel Papiere aus seiner Tasche und öffnete das kleine Büchlein mit zitternden Händen.
»Sie sind gefälscht.«
»Woher weißt du das?« Casper beugte sich herüber, um die betagten Papiere, die ein korrektes Siegel mit Unterschriften trugen, zu inspizieren.
»Ich wurde aufgezogen, um Könige zu stürzen, und ein Meuchelmörder trägt nie seine echten Papiere bei sich. Ich weiß nicht einmal, was ich eigentlich erwartet habe. Denn die Wahrheit kenne ich ja schon. Der svedische König will meinen Tod, und höchstwahrscheinlich hat er ein Netzwerk aus Spionen und Meuchelmördern über die ganze Bludwelt verteilt, in der Hoffnung, dass einer von ihnen mich erwischt.«
»Aber warum? Wenn er dein Vater ist, warum sollte er dann deinen Tod wollen?«
Ich schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Ich mag ja seine Tochter sein, aber er kann mich weder anerkennen noch irgendwie zu seinem Vorteil einsetzen. Ravennas Frostland ist schwach, und Charles würde nichts lieber tun, als in Moskovia einmarschieren und es für Sveden beanspruchen. Das einzige echte Hindernis bin ich.«
»Passiert so etwas häufiger?«
»Sie sind eine Plage für den Palast wie Bludlemminge, aber es kommt selten vor, dass jemand so nahe an ein Mitglied der königlichen Familie herankommt. Ein Glück, dass du immer noch immun gegen Meerwasser bist. Bei dem hier ist nichts mehr zu holen. Hilf mir, ihn aus dem Fenster zu werfen, ja?«
Mit der Entschlossenheit und stillen Kraft, die ich mittlerweile von ihm gewohnt war, zog Casper das Fenster auf und lehnte sich hinaus, um sicherzugehen, dass nicht zufällig gerade jemand hinausschaute. Draußen war es stockdunkel; nur das Licht unserer Laterne erhellte die Steinwände des Tunnels. Gemeinsam hievten wir den Körper aus dem Fenster und ließen ihn in die Dunkelheit fallen, während der Zug weitertuckerte, als sei nichts geschehen.
Ich steckte noch einen Augenblick lang den Kopf aus dem Fenster und genoss den Geruch von eisbedecktem Stein tief im Berg. Rache war ein gutes Gefühl.
Dann zog Casper mich vom Fenster weg in seine Arme.
»Am Anfang hab ich es für unmöglich gehalten. Doch jetzt fange ich langsam an zu glauben, dass du es schaffen kannst. Du steckst wirklich voller Überraschungen, nicht wahr?«
Ich antwortete darauf, indem ich meinen Kopf in seinem Hemd vergrub. Als ich tief einatmete, konnte ich die Veränderung riechen, die das Blud in ihm ausgelöst hatte, und ich war mir sicher, wenn ich mir seine Hände im Sonnenlicht besah, wären sie wieder eine Spur grauer. Bei dem wenigen, was ich über Halbbluds wusste, konnte ich nur
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