Von der Liebe verschlungen
tragen!«, hatte sie geschrien, bevor sie mich in den Teich schubste. Ich hatte Rache dafür gewollt. Ich vermute, die hatte ich jetzt endlich.
Es fühlte sich nicht so gut an wie damals erhofft.
8.
A ls wir durch das hintere Fenster wieder zurück in Reves Haus schlüpften, war es schon fast dunkel. Reve befand sich in heller Aufregung und kreischte so laut in einer fremden Sprache herum, dass Tommy Pain sich unter einer Ottomane verkrochen hatte. Und dann sah sie uns.
»Dumme Kinder! Narren! Von alle lächerlische, gefährlische und törischte Abenteuer musste es ausgerechnet Sweeting sein? Isch kann ihn riechen an euch! Ihr stinkt nach Tod, nach gebrochene Verspreschen und nach Lügen, so süß wie vergiftete Karamell. Und ihr ’abt etwas. Von ihm.«
»Es war ein fairer Handel.« Ich hielt meine Hände hinter dem Rücken verborgen. »Und es gehört von Rechts wegen mir.«
»Bei dir kann isch es ja noch glauben«, fauchte sie mich an. »Aber Keen, chérie. Du weißt es doch besser. Du weißt es doch so viel besser!«
Keens einzige Antwort bestand in einem beleidigten Blick.
»Wieso ’ast du das getan, Kind?«
»Ich wusste doch nicht, wohin sie wollte. Sie sagte nur Ruby Lane. Schien harmlos zu sein.«
»Nach allem, was der arme Casper für euch beide getan ’at, dankt ihr es ihm so, mit eine Ausflug in die ’ölle und einem wütenden dunklen Daimon, der eusch verfolgen wird bis an meine Türschwelle.« Sie schüttelte den Kopf und wütende Schattierungen von Burgunderrot und Schwarz liefen über ihre Haut.
Ihre Erwähnung von Casper ließ mich aufhorchen. Was genau hatte er denn für uns getan? Er hatte eine Abmachung mit mir, und zwar eine, die ihm mehr Gewinn bescheren sollte, als er sich in seinen kühnsten Träumen ausmalen konnte. Aber was hatte er für Keen getan? Sie war das schmutzigste, dürrste und armseligste Geschöpf, das ich je gesehen hatte. Was könnte sie wohl jemandem zu verdanken haben? Zum ersten Mal in meinem Leben war ich neugierig auf andere Leute und deren Machenschaften, unabhängig von dem, wie sie mir von Nutzen sein könnten.
»Mir klangen schon die Ohren.« Casper kam grinsend aus dem Vorzimmer. Er hatte einen Tornister über einer Schulter und zog einen Rollkoffer hinter sich her.
»Deine kleinen bêtes noires ’aben draußen gespielt«, sagte Reve scharf. Damit verschwand sie hinter einem Paravent, um dort herumzufuhrwerken, und ließ uns mit Casper allein.
»Casper, wir–«, fing Keen an. Ich hielt den Mund. Ich musste mich ihm nicht erklären, ganz egal, was irgendein übellauniger Daimon denken mochte.
»Ich will es gar nicht hören.« Er hielt eine behandschuhte Hand hoch, und sie seufzte. »Du gehörst mir nicht. Wir haben eine Abmachung, und was du in deiner Freizeit machst, ist deine Sache, ebenso wie das, was ich in meiner Freizeit mache, meine Sache ist. Ihr seid am Leben und offenbar unverletzt, und das ist alles, was mich interessiert.«
Sein Gesicht war wie eine Maske aus Stahl, so als sei der Mann darin meilenweit weg und unerreichbar. Keen stockte der Atem, und sie stürmte nach oben. Irgendwie hatten seine Worte sie verletzt. Aber mich hatte er damit nicht verletzt. Auch ich war unerreichbar.
»Nun, da wir das hinter uns haben – was ist der nächste Schritt?«, fragte ich.
»Ich habe für unseren Transport aus der Stadt hinaus gesorgt. Zuerst nehmen wir einen Panzerbus nach Dover und sehen uns dann weiter um. Wir werden schon ein Dampfboot, ein Luftschiff oder eine Kutsche finden; irgendetwas, das uns auf den Kontinent und nach Moskovia bringt.«
»Das ist dein Plan?« Ich schnaubte höchst unköniglich. »Da hätte ich als Siebenjährige eine bessere Strategie planen können. Und dann, ein Panzerbus? Eine Prinzessin, eine königliche Bludfrau, in einer schmutzigen rauchspuckenden Monstrosität von öffentlichem Verkehrsmittel, umgeben von gemeinem Volk, das sich keine Kutsche leisten kann? Bist du des Wahnsinns?«
»Nein, bin ich nicht, Prinzessin. Ich bin arm, und, wenn ich das hinzufügen darf, du ebenso. Ich war noch nie zuvor in Dover, daher weiß ich nicht, welche Transportmittel dort verfügbar sind und was sie kosten. Aber ich möchte mein Leben darauf verwetten, dass ich das zu unserer Zufriedenheit herausfinden kann.«
Ich krallte die Fäuste in den dicken Stoff meines Rockes, und mit jedem Atemzug spürte ich, wie meine Rippen sich gegen das Lederkorsett drückten. Ihm so nahe zu sein machte mich wütend und hungrig – und
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