Von der Liebe verschlungen
etwas lauter. Der Stoff seines Jacketts raschelte leise, als er die Hand nach meinem Bein ausstreckte.
»Kann ich Ihnen helfen?« Bedächtig setzte ich mich auf, verschränkte die Arme und sah ihn finster an.
Er fuhr zurück und fingerte an seiner Uhrkette, als wolle er damit den Umstand verbergen, dass er versucht hatte, einer fremden Frau ans Knie zu fassen. Er war jung, drahtig, großspurig und für einen Pinkie fast gutaussehend. Doch dazu fehlte ihm etwas; stattdessen war da eine gewisse Unsittlichkeit erkennbar, an seinen engen Schultern, den zu kurzen Hosen und einem grausamen Grinsen, das gelbliche Zähne entblößte. Wäre ich eine andere, hätte dieser Bursche Probleme bedeutet.
Doch so wie es war, war ich das Problem.
»Wollte nur plaudern, Liebchen.« Er zwinkerte. »Alle anderen schlafen, und ich dachte mir, du hast vielleicht gern ein wenig Gesellschaft, wie man so sagt.«
»Ach wirklich? Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass Sie sich gerade meinem schlafenden Körper unsittlich nähern wollten.« Ich lächelte und hielt meine zu scharfen Zähne sorgfältig hinter meinen Lippen verborgen.
Er hatte doch tatsächlich die Frechheit, gekränkt dreinzuschauen. »Ich würde einer unschuldigen jungen Dame niemals derartige Avancen machen. Es sei denn … hmm?« Er hob die Augenbrauen, soweit sein Filzhut das zuließ, und hielt mir einen angelaufenen Flachmann hin.
Ich sah mich kurz um und stellte alle meine Sinne auf Empfang. Niemand sonst war wach; wahrscheinlich hatte er sich deshalb mir überhaupt erst genähert.
»Wenn Sie etwas näher kommen, verrate ich Ihnen ein Geheimnis.« Ich schürzte die Lippen und zwinkerte.
Sein Grinsen wurde noch breiter, und in seinen Augen glitzerte es raubtierhaft, was ich unbewusst widerspiegelte. Eine ganz andere Art von Hunger trieb mich zu meiner nächsten Handlung, so unangemessen und gefährlich es auch war.
Ich rutschte in die Ecke und tätschelte mit der Hand auf die Stelle neben mir, die noch immer warm von meinem Körper war. Er nahm einen Schluck aus seinem Flachmann und glitt über den Durchgang, um sich neben mir niederzulassen. Seinen Handelskoffer, dessen Aufschrift bei jedem, der es lesen mochte, für Stephanies Superbe Saumnähersalbe warb, ließ er auf dem anderen Sitz. Noch bevor er sich ganz auf der plüschbezogenen Sitzbank niedergelassen hatte, wanderte seine Hand meinen Rock hinauf. Ich ließ ihn, denn die Gefühle, die das auslöste, machten mich neugierig.
Als junge Prinzessin war ich von den meisten Männern ferngehalten worden, ganz besonders von solchen meines Alters. Selbst auf dem Ball des Zuckerschnees hatte es nie jemand gewagt, mich ungebührlich zu berühren, geschweige denn versucht, mich unter den Augen meiner Eltern und sämtlicher Mitglieder des frostländischen Hochadels in die Schatten zu locken. Ich hatte Gerüchte und Gewisper über Liebesspiele im Schloss gehört, und Olgha hatte mir ein paar unglaublich lächerliche Dinge über den Liebesakt erzählt. Abgesehen von Caspers Kuss, den ich noch immer nicht ganz verstand, wusste ich nur sehr wenig über die Vorgänge zwischen Mann und Frau. Als der Bursche nun forsch seine Hand mein Bein hinaufwandern ließ, war ich angewidert und neugierig zugleich.
Mit einem wissenden Lächeln zog ich an den Bändern unter seinem Kinn, um seinen Hut zu lösen. Das war ja so unpraktisch, die Art, wie diese sanglischen Pinkies sich überall verschnürten und jede Körperstelle, an der sich ein Puls befinden mochte, in übelriechendes altes Leder hüllten.
»Du bist aber ein verdorbenes Mädchen, oh, ja«, meinte er anerkennend und streichelte mit der Hand über mein Knie; nur ein dünner Strumpf zwischen seinem Handschuh und meiner Haut.
Schließlich zog ich die letzten seiner schmutzigen Schnüre auf und schob seinen Hut zurück. Der Geruch seiner Haare darunter war ekelerregend – hatte er je etwas von Baden gehört? Wahrscheinlich war der strenge Geruch eine bessere Abschreckung für die hiesigen Bludleute als die lederne Schutzkleidung. Doch unter dem Gestank war der wahre Duft: Blut, warm und einladend.
Ich fuhr mit einer Hand durch sein Haar und knabberte an seinem Ohr, woraufhin er die Luft durch die Zähne einzog. Seine Hand ruckte nach oben an meinen Oberschenkel, und seine Finger gruben sich in meine Haut. Für ein paar kurze Sekunden ließ ich seine Hand gewähren. Meine Beine waren fest verschränkt, aber es war amüsant, seinem Drängen, sie zu öffnen, zu trotzen.
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