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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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denn sie aß gerade einen glänzenden gelben Apfel von solcher Schönheit und Qualität, dass ich genau wusste, dass sie sich den niemals hätte leisten können, selbst wenn sie irgendetwas besäße, das sich zu verkaufen lohnte.
    »Steck das weg«, zischte Casper ihr über die Schulter zu. »Dafür prügeln die Coppers dich blutig, Mädchen.«
    »Als ob das eine Rolle spielen würde.« Bis Casper sich wieder umgedreht hatte, war das Taschentuch verschwunden, und nun verschwand auch der Apfel. Stattdessen holte sie die Messingkugel heraus, mit der sie früher schon jongliert hatte. Für mich sah das Ding nicht viel anders aus als der Apfel. Als sie bemerkte, dass ich sie beobachtete, hob sie die Augenbrauen. Sie musste auch die Kugel gestohlen haben.
    Sogar inmitten der Menge strahlte Casper Zuversicht und eine ruhige Stärke aus, die ich nie zuvor an einem Menschen gesehen hatte. Und dabei war ich mir immer noch nicht sicher, ob er überhaupt ein Mensch war . Vielleicht war er zum Teil ein Daimon und hielt seine Fremdartigkeit geheim. Einen verborgenen Schwanz vielleicht? Ich lehnte mich etwas zurück, um seine Kehrseite zu begutachten, doch da war alles genau dort, wo es sein sollte. Oder vielleicht war er etwas vollkommen Neues, etwas, das in den Vorträgen meiner Kinderfrau über die Völker von Sang nicht vorgekommen war.
    Über die Geschichte der Länder, die nicht unter der Herrschaft von Frostland standen oder gegen uns verbündet waren, hatte ich fast nichts gelernt. Zwar kannte ich das Eisvolk von Sveden gut, aber die anderen Nationen und Rassen der Welt waren hauptsächlich Gutenachtgeschichten für eine Prinzessin gewesen, deren Leben sich ausschließlich im Schneehof oder in den Schlössern nahegelegener Königreiche abspielen würde. Sang war so groß, alles war so weit voneinander entfernt, und das Reisen war so gefährlich und Meeresungeheuer so verbreitet, dass die meisten Leute, die große Entfernungen zurücklegten, entweder starben oder einfach dort blieben, wo sie waren.
    Ich hatte von den Daimonen Frankias gehört, fremdartige Kreaturen wie Reve und Mr Sweeting, die sich von den Emotionen der Menschen nährten. Ich hatte Märchen gehört über Echsen-, Vogel- und Fischmenschen, Hexen, Geister und sogar über Leute, deren Blut einen Bludmann um den Verstand brachte. Und ich wusste von den wilden Tiermenschen in Almerika, die wie Barbaren lebten und in Wagen fuhren, die von Büffeln und Bludhirschen gezogen wurden.
    Vielleicht war Casper genau das – vielleicht konnte er sich in einen Wolf oder eine Raubkatze verwandeln, wenn ihm danach war. Es würde auf jeden Fall seinen eigenartigen Akzent, den merkwürdig animalischen Geruch, seine verblüffende Körperkraft und seine Abneigung gegen einengende Kleidung erklären. Irgendwann einmal würde ich herausfinden müssen, wozu er fähig war. Doch dazu müsste ich ihn provozieren. Ich hätte auch einfach fragen können, aber dafür war ich viel zu gut erzogen.
    »Da sind wir«, flüsterte er da, und ich schreckte auf. Unbewusst hatte ich mich dem Anblick seines seidigen, kupferfarbenen Haares hingegeben, das sich über sein entblößtes Ohr ringelte, und ich hatte mich gefragt, wie seine Haut wohl im Vergleich zu dem Handelsreisenden schmecken würde. Seine Hand lag noch immer an meinem Ellbogen, als er uns zu einer niedrigen Mauer geleitete, wo die Leute anhielten und ihre Koffer und Taschen aufstapelten, als würden sie auf ein bestimmtes Ereignis warten.
    Ich sah nach vorn, über die Zylinder und Hauben des Straßenvolkes hinweg. Ich hatte erwartet, Schiffsmasten und die Periskope von U-Booten zu sehen. Doch stattdessen sah ich Seile, die vom Himmel herabhingen.
    Ich schluckte schwer.
    »Gütige Aztarte. Wir werden doch sicher nicht fliegen?«
    Er lachte nur düster auf, als wüsste er bereits, dass ich Höhenangst hatte.
    Mein Blick glitt die dicken Taue hinauf, hinauf und immer noch weiter hinauf, bis dahin, wo einige Luftschiffe zwischen den tiefen Wolken hingen. Ich stöhnte auf und sackte auf dem Rollkoffer zusammen.
    »Findet sich doch mal ein wunder Punkt bei dir, eh?« Keen lachte. »Ihr Bluddies seit wohl doch nicht so perfekt, was?«
    »Ob Bludvolk oder nicht hat mit Höhenangst überhaupt nichts zu tun«, antwortete ich, und meine Stimme war so schwach, dass ich kaum piepsen konnte. »Es ist nur eine große persönliche Schwäche.«
    Ich konnte kaum atmen, und meine Finger fummelten wild an den Messingklammern meines Korsetts herum, bis

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