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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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eine sorgfältig ausdruckslose Miene zur Schau und zuckte mit den Schultern, als sei es mir gleichgültig, wie sie mich nannten.
    Casper dachte einen Augenblick lang nach. »Das wird gehen. Dann also Anne Carol.«
    Er blieb stehen, drehte Keen herum und schob sie unter eine Gaslampe, um ihren schmalen Rücken als Schreibunterlage für ein abgegriffenes Stück braunen Papiers zu nutzen. Mit einem Füllfederhalter aus Messing kritzelte er etwas darauf und wedelte dann mit dem Papier in der Luft herum, um die Tinte zu trocknen.
    »So, das ist erledigt. Ich werde mich als dein Onkel ausgeben, da du wie achtzehn aussiehst und jetzt eine ähnliche Haarfarbe hast wie ich. Ich begleite dich auf deinem Weg zu einer Arbeitsstelle als Kinderfrau im Hause eines Barons in Moskovia. Ich bin ein Musiker. Keen ist meine Bedienstete. Hat das jeder so weit verstanden?«
    »Das gefällt mir nicht«, erklärte ich.
    »Mir auch nicht«, sagte Keen, die mir auf dem Fuße folgte.
    Casper drehte sich nicht einmal um. »Pech.«
    Mittlerweile hatten wir das Tor erreicht, ein riesiges, rostiges Ding mit einem Torhaus, das von einer Lampe erleuchtet wurde.
    »Papiere!«, bellte der Wachmann durch einen Lautsprecher, der seine Stimme verstärkte. Ich konnte nicht einmal sein Gesicht sehen, nur einen hohen braunen Hut und eine Schutzbrille. Nach allem, was ich erkennen konnte, hätte er ebenso gut ein Uhrwerk aus Messing sein können. Wahrscheinlich war das auch der Sinn der Sache.
    Casper legte ein Päckchen brauner Papiere in einen Metallkasten, der daraufhin mit einem lauten Scheppern in die Wachkabine hineingezogen wurde.
    »Casper Sterling. Lorelei Keen. Anne Carol. Werden Sie nach London zurückkehren?«
    »Lorelei und ich schon. Meine Nichte wird eine Stelle als Kinderfrau in Moskovia antreten.«
    Der Metallkasten fuhr abrupt wieder heraus, und Casper nahm unsere Papiere an sich.
    »Möge Sankt Ermenegilda Ihrer Seele gnädig sein, Miss Carol«, sagte die Wache.
    Bevor ich fragen konnte, was um Himmels willen damit gemeint war, hatte Casper mich schon am Arm gepackt und drängte mich und den Koffer auf ein großes graues Fahrzeug zu, das bebend und tuckernd auf der Stelle stand, vor einem dunklen und wolkigen Himmel. Wir stiegen Treppenstufen hinauf, nur Zentimeter von den schweren Gleisketten entfernt, und Casper händigte dem Fahrer unsere Tickets aus.
    »Wurde auch Zeit«, brummte der dicke Mann mit einer Pfeife im Mund und stapfte dann nach draußen, um unseren Koffer zu verstauen.
    Ich duckte mich durch die schmale Tür. Das Innere des Panzerbusses roch in keiner Weise besser als die stickige Wolke um den Fahrer mit seiner Schutzbrille. Das Gefährt war nicht einmal halb voll, und die meisten Passagiere stammten offenbar aus der Unterschicht; verwahrlostes Volk, über das ich bisher nur in Zeitungen gelesen hatte. Handelsreisende, die besonders hohe, fest unter dem Kinn zugeknöpfte Zylinder trugen und enorm große Klappkoffer auf den Sitzen daneben bei sich hatten. Junge Männer, die wahrscheinlich ihre Seelen an die Marine oder etwas Piratenähnlicheres verkauft hatten, saßen ängstlich zitternd auf ihren Sitzen, auf dem Weg zu sinkenden Schiffen und Meeresungeheuern. Eine Frau, von maskulinerer Erscheinung als der Fahrer, hatte eine Maiskolbenpfeife zwischen ihren gelbfleckigen Zähnen und thronte auf zwei Sitzen gleichzeitig, wie eine Zitadelle über einem Fluss.
    Casper führte uns nach hinten durch und bedeutete mir, mich auf dem allerletzten Platz ganz hinten niederzulassen. Dann verstaute er unsere Taschen in den Behältern über unseren Köpfen. Während Keen es sich vor mir bequem machte, glitt Casper neben mir auf die Sitzbank. Sein Bein drückte sich warm an meines.
    »Ich habe dir etwas zu lesen mitgebracht.«
    Damit drückte er mir eine Röhre aus zusammengerolltem Zeitungspapier in die Hand. Ich fühlte etwas Hartes in der Mitte und seufzte erleichtert auf. Eine zugekorkte Phiole mit Blut, eingepackt in noch mehr Zeitungspapier und mit einem Faden zusammengebunden. Ich löste den Faden und hielt mir einen Teil der Zeitung vors Gesicht, um die Phiole zu verbergen, während ich trank. Casper beugte sich zu mir, um mich vor Blicken aus der Gangreihe abzuschirmen. Sein Gesicht war so unangenehm nahe, dass ich meinen Blick auf die Zeitung konzentrierte. Und dabei fiel mir auf, dass es sich um den London Observer handelte, und dass ich auf eine Rubrik namens »Nachrichten aus Sang« starrte, die auch Neuigkeiten zum »Sieg

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