Von der Liebe verschlungen
Aber ich sollte euch von jemandem dorthinbringen lassen, bevor du mir hier noch aufs Deck kotzt und den Burschen den Appetit verdirbst.«
Ich hörte Gekicher und das Klatschen einer bloßen Hand auf Haut. Langsam war ich dankbar für meine Übelkeit, denn mittlerweile vermutete ich, dass es auf der Maybuck nackte Haut im Überfluss gab. Besser luftkrank als blutdurstig.
»Colette! Victoire! Bitte bringt den Maestro und seine Nichte zum Samtzimmer.«
Zwei Mädchen, noch jünger als Keen, liefen heran und knicksten. Als ich sah, dass sie nichts als durchscheinende weiße Hemden trugen, bedeckte ich Nase und Mund mit meiner Hand und versuchte, an einen bereits stark verwesten und gänzlich unappetitlichen Bärenkadaver zu denken, auf den ich einmal bei der Jagd gestoßen war. Mit den Händen an meinen Schultern steuerte Casper mich durch das Schiff, und mit immer noch geschlossenen Augen konnte ich mir beinahe einreden, wir seien an Land. Beinahe.
»Es ist ein sehr schönes Zimmer«, sagte eines der Mädchen mit deutlich sanglischem Akzent. Die frankonischen Namen mussten ein Teil des Spiels sein, ähnlich wie die durchsichtigen Gewänder. Ich hörte, wie eine Tür aufging, und Casper schob mich hinein, dankte den Mädchen und schlug die Tür hinter uns zu. Ich ließ mich bäuchlings quer über das Bett fallen, vergrub mein Gesicht in ein Kissen und warf die dunstige Brille beiseite.
»Ahnastasia, wie kommst du zurecht?«
Er ließ sich neben mir nieder, nicht nahe genug, um mich zu berühren, aber ich spürte, wie die weiche Matratze unter seinem Gewicht nachgab. Noch ein erstes Mal: Ich war allein in einem kleinen Zimmer, zusammen mit einem fremden Mann fragwürdiger Herkunft und Spezies.
»Ich befinde mich auf einem schwebenden Bordell, umgeben von nackten Menschlingen«, brummelte ich in die weiche rosafarbene Samtdecke. Sie war so luxuriös dick, dass sie mich an die Zunge eines Löwen erinnerte, den ich einmal im königlichen Zoo gesehen hatte. »Mir ist nicht gut.«
»Musst du dich übergeben?«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine seiner Hände sich auf meinen Rücken zubewegte und darüber innehielt, als wolle er mich berühren, aber etwas hielt ihn zurück. Die Prinzessin und die Bestie waren nicht mehr die einzigen Instinkte in mir, aber ich wusste nicht, wie ich diesen neuen Drang beschreiben sollte, den, der mit seinem Kuss erwacht war und nach Berührung verlangte. Stattdessen glitt ich unter seiner Hand davon, setzte mich ans Kopfende und zog ein mit Quasten verziertes Kissen an meine Brust.
»Ich denke, es wird jetzt gehen.« Ich atmete abgestandene Luft mit Caspers Duft darin ein und fächelte mir mit der Hand zu. »Obwohl hier drin nicht genug Luft zu sein scheint.«
»Du wolltest eine Kabine ohne Fenster, und die hast du bekommen.«
Wir sahen uns in dem kleinen Zimmer um. Die Wände waren mit rotem Samtdamast bespannt, und auf dem Boden lagen flauschige Teppiche, die aussahen wie ganze skalpierte Schafe. Tommy Pain hätte sich darauf hingelümmelt wie ein überfütterter Sultan, und ich bemerkte erstaunt, dass ich die seltsame Katze vermisste, die bei Reve zurückgeblieben war. Das Bett nahm den meisten Raum ein und war ziemlich groß, aber es gab auch noch einen kleinen Schreibtisch mit einem Stuhl an einer Seite und Platz für unseren Koffer. Zwei kleinere Türen führten wohl zum Badezimmer und zum Wandschrank. Insgeheim musste ich wegen Keen grinsen – wo auch immer sie schlief, es würde unbequem sein. Eine Hölle, die sie mehr als verdient hatte; schließlich war sie schuld daran, dass ich an Bord eines Bordells reisen musste.
Wenn ich nicht genügend Blut bekam, würde es auch für mich die Hölle werden. Wer wusste schon, wie lange ich in diesem winzigen, stickigen Raum eingesperrt sein würde, zusammen mit zwei Menschen und nichts als einer Kiste Phiolen? Caspers Blut war nicht gerade perfekt, aber doch nahrhaft genug, um mich satt zu halten. Aber mich davon abzuhalten, Keen zu töten, würde schwer werden, und sei es nur, um endlich meine Ruhe zu haben.
Ich fragte mich, wie viele Passagiere genau sich auf der Maybuck befanden, und wie leicht sie sich täuschen lassen würden. Wenn das Versprechen, eine Hand unter meinen Rock schieben zu dürfen, alles war, was nötig war, um irgendeinen idiotischen Pinkie anzulocken, damit er sich mir selbst auf dem Silbertablett servierte, dann war ich definitiv im richtigen Boot – vorausgesetzt, ich konnte seinen Körper danach über Bord
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