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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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und rief immer wieder: »Sir! Sir! Verzeihen Sie, Sir!« Doch er ignorierte sie.
    »Alles zu Ihrer Zufriedenheit, Van Helsing?«, rief Miss May in ihrem unterwürfigsten Tonfall. »Miss Anne ist ein eifriges junges Ding, nicht wahr?«
    Ich hörte die stillschweigende Drohung in ihren Worten. Ein Blick auf die dekorierte Reling an Deck und ein tiefer Atemzug frischer Seeluft machten mir klar, dass ich niemandem irgendeinen Grund geben würde, etwas an mir zu beanstanden.
    »Sehr«, antwortete er leutselig, aber ich konnte den stählernen Unterton hören.
    Er steuerte mit mir auf den niedrigen Glasbehälter zu. Meine Schritte wurden kürzer, als mein Körper instinktiv vor dem Salzwasser darin zurückschreckte. Was für ein Spiel trieb er da?
    »Und weißt du auch, warum du so strahlst, meine Liebe?«, flüsterte er mir ins Ohr, während seine in einem dicken Handschuh steckende Hand meinen Arm so fest drückte, dass jede normale Frau einen Bluterguss davongetragen hätte. Ich zuckte zusammen, um den Anschein einer normalen Frau zu erwecken.
    »Muss die frische Luft sein«, antwortete ich in dem Versuch, meine Rolle weiterzuspielen.
    Er neigte sich nahe zu mir. Ich sah, wie eine der Huren uns über das Deck hinweg beobachtete und lächelte. Sie nickte, als wisse sie genau, was gerade geschah. Aber sie konnte sich unmöglich vorstellen, was er gerade zu mir sagte.
    » Ts – ts. Das ist nicht der Grund. Du strahlst, weil du ein Bludweib bist. Die Gläser meiner Brille wurden speziell dafür geschaffen, Exemplare deiner widerwärtigen Art zu erspähen. Ich bin eine Art Trophäenjäger, weißt du.«
    »Sie verwechseln mich«, sagte ich, aber ich hörte selbst, wie meine Stimme bebte.
    »Ich verwechsle dich ganz und gar nicht, Ahnastasia.«
    Der Griff seiner Hand wurde noch eine Stufe fester. So fest, dass der Druck einer Pinkie den Arm gebrochen hätte und ich sicher noch einige Stunden lang Blutergüsse haben würde. Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte das Fauchen, das mir über die Lippen wollte.
    Mittlerweile standen wir über dem Wasserbecken. Ich konnte das schreckliche Salzwasser riechen und drehte mit geschlossenen Augen den Kopf weg, als ein wenig Sprühwasser vom Wind davongetragen wurde und meine Wange traf. Es brannte.
    »Weißt du recht viel über die Kreaturen des Meeres, Prinzessin?«
    »Ich weiß nichts über das Meer.«
    »Das hier ist ein Streichelaquarium. Darin befinden sich die Kleinode des Ozeans. Strahlende Korallen, wogende Anemonen, winzige Krabben, zahnlose Haie, harmlose Fische, ja sogar ein Babykrake, falls Miss May nicht lügt, was sie aber wahrscheinlich tut. Es gilt als überaus sinnlich, den weichen fleischigen Körper eines Kraken zu berühren. Würdest du es gerne einmal versuchen?«
    »Nein, das möchte ich nicht.«
    Er packte meine Hand, zwang meine geballte Faust auf und zog sachte an meinem Satinhandschuh. Ich ließ meine Finger wie eine Falle zuschnappen.
    »Ich möchte, dass du den Kraken anfasst, Prinzessin. Stecke deine Hand in das Wasserbecken und berühre ihn.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann wird dich jeder als das erkennen, was du bist. Ich werde dich töten, die Belohnung einstreichen und deine Reißzähne als Trophäe behalten. Und du wirst Blutsauger Nummer siebenundneunzig sein, den ich vernichtet habe.«
    Meine Hand schwebte über dem Wasser und zitterte in seinem unnachgiebigen Griff. Keen schnappte hinter mir nach Luft. Caspers Musik hielt keinen Augenblick lang inne. Er war zu einer mitreißenden Quadrille übergegangen, und jedermann stampfte im Takt dazu mit den Füßen auf den Boden.
    Über den fröhlichen Lärm des Tanzes hinweg erklang Miss Mays Stimme: »Keine Angst, Miss Carol. Van Helsing passt auf Sie auf. Der Krake beißt auch nicht!«
    Ich sah Keen an. Sie wusste, was passieren würde, wenn ich das Wasser berührte. Meine Haut würde brennen, und jeder würde wissen, was ich war. So oder so – ich war dem Untergang geweiht.
    »Sofort, Prinzessin«, zischte Van Helsing mir ins Ohr.
    Ich holte tief Luft und kämpfte die Bestie in mir nieder. Wenn das Blud in mir die Oberhand gewann, dann war ich ganz Muskelkraft ohne Verstand. Und eine intelligente Lösung war wichtiger als ein Blutbad.
    »Lassen Sie mich los, und ich werde den Kraken sehr gerne streicheln.«
    Er ließ mich los. Ich zog den Handschuh wieder über mein Handgelenk und schüttelte meinen Arm, um wieder Gefühl in den Fingerspitzen zu bekommen. Er trat einen Schritt zurück und verzog die

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