Von der Liebe verschlungen
Glas sehen sich sehr ähnlich, Miss Pearl«, antwortete er steif. »Glücklicherweise kann ich den Unterschied benennen.«
»Oh, ich kann auch Dinge … benennen, wissen Sie.« Mit einem bedeutsamen Blick auf Miss May stolzierte sie über das Deck zu dem wartenden Herrn, der sie schon eine ganze Weile anerkennend beäugt hatte. Also hatte sie nichts erzählt. Noch nicht.
»Der Spaß ist vorbei«, flüsterte Casper und zog mich in Richtung Tür.
»Nein.« Ich stemmte die Fersen in den Boden und riss meine Hand zurück. »Ich habe es satt, herumgeschubst und wie eine Puppe hin- und hergeschoben zu werden. Ich gehe nicht, bevor ich zufrieden bin.«
»Es gibt sehr viele Herren hier, die nur zu bereit wären, dir entgegenzukommen«, antwortete er barsch. »Es ist zu deinem eigenen Besten. Bitte, Anne. Lass mich dich zurück nach unten bringen.«
»Erst, wenn ich ein Glas Wein bekommen habe.«
Er stand direkt vor mir und sah mich an, und er war wie ein Sturm, eine Mauer, eine Statue. Unerbittlich, hart und wütend. Und trotzdem, irgendwo ganz tief darunter, amüsiert.
»Na schön. Ein Glas Wein«, sagte Casper. »Gott weiß, dass ich eines brauche, und du musst mir genau erzählen, warum du in diesem Aufzug hier oben bist.«
In seinen Augen stand ein eigenartiges Feuer, als er mich mit einer Verbeugung zum Tisch mit den Erfrischungen geleitete. Er ging nur einen Hauch zu nahe neben mir, und ich registrierte jede noch so kleine Bewegung unserer Körper. Der Samt meines Kleides schmiegte sich bei jeder Bewegung an meine Haut; ein enormer Unterschied zu den aufwändigen und gewagten Kostümen all der anderen Mädchen hier. Aber niemand sah zu mir herüber. Alle waren zu sehr miteinander beschäftigt. Außer Casper.
Am Tisch nahm ich mir einen schlanken Glaskelch und warf ihn beinahe um, so sehr zitterte meine Hand. Casper fing ihn geschickt auf und schenkte ihn halb voll mit tiefrotem Wein. Während er auch sich selbst einschenkte, spielte ich mit dem Stiel meines Glases herum. Ohne beigemischtes Blut roch der Wein nicht einmal annähernd appetitlich, aber das konnte ich vortäuschen, wenn es mir nur ein paar kostbare Augenblicke an der frischen Luft bescherte.
»Warte.« Er holte den Flachmann aus seiner Weste und goss einen guten Schluck einer roten Flüssigkeit in jedes unserer Gläser. »Jetzt kannst du ihn wirklich trinken.«
Ich nahm einen Schluck – und das war der Augenblick, in dem ich endlich erkannte, was er war.
Ich konnte gar nicht glauben, dass ich so lange gebraucht hatte, um es zu begreifen, aber das Blud in meinem Glas konnte nur eines bedeuten:
Casper war ebenfalls ein Halbblud.
17.
E ndlich ergab alles einen Sinn. Sein eigentümlich moschusartiger Duft, seine Körperkraft und Unbekümmertheit und die Tatsache, dass er am Leben blieb, obwohl er kaum etwas zu sich nahm. Jetzt wusste ich auch, warum er keine Angst vor mir hatte. Und warum er gelacht hatte, als ich versucht hatte, ihn zu töten. Ich war gerade erst aufgewacht und verzweifelt.
Und er war ein Halbblud. So wie Cora.
Große Aztarte, wie konnte ich nur so blind sein?
Und die ganze Zeit über hatte er es nicht ein Mal erwähnt. Er musste mein Blud ebenso sehr begehrt haben wie Cora, und doch hatte er nichts gesagt. Er hatte sein wahres Ich nicht wirklich verborgen gehalten, aber dennoch hatte es viel zu lange gedauert, bis ich begriff.
Ich versuchte, das Zittern meiner Hand zu ignorieren, als ich am Wein nippte und zum zweiten Mal in meinem Leben das Blud meinesgleichen kostete. Es war berauschend, reich und vollmundig. Als es meine Kehle hinabrann, löste sich etwas in mir, wie ein Knoten, der sich entwirrte und seine Bänder über meinen Rücken hinablaufen ließ. Ich entspannte mich etwas und spürte, wie mein Mund sich langsam zu einem Lächeln formte.
»Wie fühlst du dich?«, fragte mich Casper.
»Reizend«, sagte ich. Und ich meinte es auch so.
Er musterte mich einen Augenblick lang und trat dann einen Schritt näher. »Ahna – Anne – bist du in Ordnung? Deine Augen sehen seltsam aus.«
»Mmm.« Ich hob das Glas wieder an die Lippen. Ich brauchte mehr.
»Hör auf.« Als er versuchte, mir das Glas aus der Hand zu nehmen, wehrte ich ab.
»Nein. Will mehr.«
»Du musst mir den Kelch geben, sofort«, flüsterte er mir hastig zu, und sein Atem an meinem Hals fühlte sich heiß an. »Du musst hier auf alles vorbereitet sein. Wir sind umgeben von … Menschen. Und Feinden. Und jetzt gib mir den Kelch.«
»Will
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