Von der Liebe verschlungen
flüsterte ich Casper zu. »Und halte dein Messer bereit.«
»Was?«
Aber ich war schon losgestürmt, über die Lichtung, vorbei an Keen, und tauchte ein in die Schatten des Waldes. Die Kreatur hatte mich bereits gesehen und wandte sich zur Flucht, doch ich schlug meine Klauen in ihre Flanken und riss eine klaffende Wunde in das schmutzig weiße Fell ihres Hinterteils.
Meine Angst um Keen verwandelte sich in grimmige Freude. Ich hatte Einhornblut immer geliebt.
Das Biest bockte in dem Versuch, mich abzuwerfen und so zu verhindern, dass ich die Wunde weiter aufriss. Ohne Waffen oder einen Jagdgefährten konnte ich das Tier nicht zu Fall bringen, aber ich hielt es fest, solange ich konnte. Diese Kreatur würde ich lehren, sich mit Jungfrauen anzulegen.
Während ich so viel Blut wie möglich aufleckte und es wie flüssigen Sonnenschein meine Kehle hinabrinnen fühlte, schnaubte und kreischte das Einhorn und schlug mit seinen Hufen gegen Boden und Bäume in seinem Versuch, mich abzuwehren. Irgendwo weit weg schrie der Pfau immer wieder, um das Einhorn zu warnen, dass Gefahr nahte. Doch schließlich endete sein klarer Ruf in einem Gurgeln, dem Stille folgte, als der Aasfresser noch vor seinem Meister starb.
Das Einhorn drehte sich auf zwei Hufen um und versuchte, mich aufzuspießen, doch ich wich seinem knorrigen Horn mühelos aus und sprang hinter einen dicken Baum. Gesättigt leckte ich mir über die Lippen, als das Einhorn schnaubte und dann in den Wald davongaloppierte. Sein Blut breitete sich in mir aus und gab mir ein Gefühl von Wärme und Zufriedenheit, wie es nur Einhornblut konnte.
»Ahna!«, rief Casper; seine Stimme klang hoch und panisch.
»Ich bin hier!« Mit einiger Mühe beruhigte ich mich wieder und versuchte, auf dem Weg zurück zur Lichtung nicht fröhlich zu hüpfen.
Keen sah ich zuerst. Sie hatte die Arme um ihre dünne Mitte geschlungen und zitterte, ihre Augen waren weit aufgerissen, und in ihren Ärmeln waren lange Risse. Sie atmete durch die Nase wie eine verängstigte Bludstute. Der Pfau lag übel zugerichtet und blutig am Boden, und bald darauf kam Casper zwischen den Bäumen hervor, die Machete eines der toten Piraten in der Hand. Als er mich sah, ließ er sie fallen.
»Ahna. Gott sei Dank. Bist du verletzt?« Er stürzte auf mich zu, griff mich fest bei den Schultern und musterte mich prüfend von oben bis unten. Mit Einhornblut im Bauch war es schwierig, angesichts seiner unnötigen Besorgnis nicht loszukichern.
»Ich habe es gesehen«, sagte Keen, ihre Stimme ein kaum hörbares, ehrfürchtiges Flüstern. »Das Einhorn.«
Casper sah mich verwirrt an. »Ein Einhorn?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es wird nicht zurückkommen. Gehen wir.«
»Dann gibt es sie also wirklich?«, hauchte Keen.
Ich schnaubte verächtlich. »Es sind nur Tiere. Große, blutrünstige Monster. Aber Tiere. Willkommen in meiner Welt.« Als ich sah, dass den beiden die Kinnlade herunterfiel und die Magie noch immer Keens Blick vernebelte, seufzte ich. »Einhörner sind keine magischen und wunderschönen Wesen. Sie sind nur Raubpferde, die Hörner haben und liebend gerne Jungfrauen fressen.« Casper zeigte auf den Kadaver des Pfaus und hob fragend die Augenbrauen, und ich nickte. »Einhörner und Pfauen arbeiten zusammen. Die Pfauen sind verwandelte Aasfresser, die nach Beute Ausschau halten. Während der Pfau tanzt, schleicht sich das Einhorn hinter dir an, um dich mit seinem Horn aufzuspießen. Und dann fressen sie sich voll und zerren deinen Kadaver nach Hause zu ihrem Harem.«
»Dieser Ort«, sagte Keen langsam und kopfschüttelnd, »ist irre.«
Casper kniete nieder und fuhr mit dem Finger über den scharfen Schnabel des Pfaus.
»Jesus. Fühlt sich wie ein großer Zahn an.«
Ich grinste. »Sie sind die einzigen verwandelten Vögel in ganz Sang, und sie kommen ursprünglich aus Frostland. Der Wahnsinnige Zar hat sie vor Jahrhunderten verwandelt, aber sie sind aus dem Eispalast geflohen und in der Wildnis haben sie sich vermehrt. Niemand weiß, wie es dazu kam, dass sie sich mit den Einhörnern zusammentaten. Eine exquisite Freundschaft, findest du nicht?«
Ich zog eine Feder aus dem Schwanz des toten Pfaus und steckte sie in das Band an Caspers Hut. Mir war nicht entgangen, dass wir seine alte Feder im Wald hatten fallen lassen, als der Schrei des Pfaus uns aufgeschreckt hatte. Der Ruf eines Hähers erklang, ein anderer Vogel antwortete, und dann erwachte der Wald endlich wieder zum Leben, nachdem
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