Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
fünfzehn Jahre lebte und zum friedvollen Wüsten-Einsiedler wurde, ehe ihn libysche Senussi-Krieger 1916 ermordeten.
Als Charles de Foucauld starb, war er 58 Jahre alt. Ein ewig Suchender, der in einer Zeit ideologischer Auseinandersetzungen, politischer Umbrüche und beginnender kolonialer Veränderungen lebte und dessen verschlungener Lebensweg sich von Anfang bis Ende konsequent in Extremen bewegte: Geboren am 15. September 1858 in Straßburg, im Hause der altadligen Grafen de Foucauld, kam er mit sechs Jahren als Vollwaise zu seinem Großvater, einem Offizier der französischen Armee. Ohne viel Zuwendung wuchs er auf und wurde mit 20 Jahren zur Militärakademie geschickt. Als sein Großvater starb, erbte der junge de Foucauld ein beträchtliches Vermögen, mit dem er ein sehr freizügiges Leben führte, ehe er einen völlig anderen Weg einschlug. Vom reichen Lebemann und Frauenheld der Pariser Gesellschaft zum Offizier der Fremdenlegion. Nachdem er in der Verkleidung eines russischen Wanderrabbiners 1883/84 das noch verschlossene Sultanat Marokko erkundet hatte, stieg er zum gefeierten Reiseschriftsteller auf, der vom französischen Staatspräsidenten ausgezeichnet wurde. Als Afrikaheld der Belle Époque empfand er großen Respekt vor dem Islam, wandte sich wieder dem katholischen Glauben zu und trat in den strengen Trappistenorden ein. Im Alter von 42 Jahren kehrte er Europa endgültig den Rücken, um in der Wüste zu leben.
Mehr als fünfzehn Jahre verbrachte Charles de Foucauld in selbstgewählter Armut in der Sahara, widmete sich Gott und entwarf Pläne für ein neues Mönchtum, wobei Nächstenliebe sein Ideal war. Durch einfachste Lebensweise und körperliche Zähigkeit erlangte er den Respekt der Tuareg. Er lernte ihre Sprache, das Tamaschek, und ihre Schrift, das Tifinagh, sammelte Sagen, Gedichte und Lieder des alten Wüstenvolkes, die er niederschrieb, legte ein 2000 Seiten umfassendes Wörterbuch der Tuareg-Sprache an, das noch heute als einzigartiges Werk gilt, und übersetzte auch die Bibel ins Tamaschek, wenngleich es niemals sein Anliegen war, andersgläubige Menschen zu missionieren. Überdies betreute de Foucauld zahlreiche Kranke und sorgte für Impfungen, veranlasste Pflanzungen und Brunnenbauten, schlichtete bei Streitereien und ließ in der Oase Tamanrasset ein Fort mit hohen Lehmmauern errichten, das den Einheimischen Schutz vor räuberischen Überfällen bot. Zudem war es de Foucauld zu verdanken, dass die damaligen Friedensverhandlungen zwischen den Tuareg und den französischen Kolonialherren nach vielen gescheiterten Versuchen endlich erfolgreich abgeschlossen wurden.
All das führte schließlich dazu, dass de Foucauld bei den Tuareg als ein Marabout galt, ein Mann, der über besonderen Zugang zu Gott und dem Jenseits verfügte.
Andere Volksstämme der Sahara, vor allem die libyschen Senussi, hassten dagegen den französischen Pater, da er es mit großem Geschick verstand, die Tuareg der Hoggarregion für sich und damit auch für die Franzosen zu gewinnen. Die kriegerischen Senussi wollte stattdessen alle Europäer aus der Sahara vertreiben.
Ob Charles de Foucauld in jenen Tagen tatsächlich als Spion für die französische Armee arbeitete, bleibt nach wie vor ein Rätsel. Seltsam aber ist, das de Foucauld trotz seines hingebungsvollen Lebens bei den Tuareg tief im Herzen immer Franzose blieb, der sich der »Grande Nation« verpflichtet fühlte. Besonders nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges sammelte er Unmengen von Nachrichten aus Nordafrika mit militärischer und strategischer Bedeutung, die er an seinen Freund, den französischen General Lapperine, weiterleitete.
Bis heute bleibt die Frage offen, welche Rolle de Foucauld, bewusst oder unbewusst, bei Frankreichs Streben nach einem nordafrikanischen Kolonialreich spielte, dessen Herzstück die Sahara sein sollte.
1916, zwei Jahre nachdem Frankreich dem Osmanischen Reich den Krieg erklärt hatte, zog ein Trupp gesetzloser Senussi und Fellagha raubend und plündernd durch Algerien. Sie waren auf dem Weg in die südliche Sahara, wo sich die Einwohner von Tamanrasset in jenes Fort zurückgezogen hatten, das de Foucauld mit Hilfe französischer Garnisonssoldaten als Zufluchtsstätte hatte bauen lassen. Als ein Verräter das Tor des Forts am Abend des 1. Dezember 1916 öffnete und die fanatischen Krieger hineinließ, wurde de Foucauld überrumpelt, gefesselt und in den Festungsgraben geworfen, wo man ihn später
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