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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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es dennoch viel Leben gab. Das bemerkte ich besonders am Morgen, wenn ich ein paar Schritte um mein kleines Biwak machte und zahllose Spuren im Sand sah: Abdrücke von Käfern, Eidechsen, Springmäusen und Vipern.
    Einfach nur gehen, bis die Füße in dem versandeten Terrain immer wieder knöcheltief einsanken und mein Vorankommen gebremst wurde, sodass ich die Langlaufskier und die Skistöcke vom Rucksack schnallte. Mit großen Laufschritten spurte ich dann über ausgedehnte Sandebenen, langgezogene Senken oder sogenannte Gassi – das sind sandreiche Flächen, die sich zwischen den hohen Dünen erstrecken und wie ein feinnerviges Netz die großen Ergs des Grand Oriental durchziehen.
    Zur Abenddämmerung, wenn ich von einem erhöhten Dünenkamm auf meine Langlaufspur zurückschaute, sah ich ein skurriles Fischgrätmuster, das die Spitzen meiner Ski in den Sand gezeichnet hatten. Eine seltsame Fährte, die im Schattenwurf des entschwindenden Lichts noch verstärkt wurde. Und wenn die immer länger werdenden Schatten über die wie Krummdolche gebogenen Dünen fächerten und sich auf den hohen Kämmen ein sanfter Sprühregen aus Sand erhob, war es, als würden die Dünengipfel rauchen. Im letzten Sonnenlicht wirkten die in Bewegung geratenen Dünenketten wie die Gischtbrandung eines Meeres.
    Auch bei Sonnenaufgang glichen die Wogen aus Sand einem Meer: immer in Bewegung, nur viel, viel langsamer. Eine Choreographie des Windes, wobei die Luvflanken der Dünenzüge meist fest wie Stein wirkten, während die Leeseiten eher weich, tückisch und oft bodenlos waren. Ich sah Sicheln, Grate, Kurven und langgestreckte Linien. Alles war im Gegenlicht überscharf gezeichnet. Und mit einem Hauch von Rosa, dem Abglanz des morgendlichen Himmels, wellten sich die Dünen in die Ferne. Eine Woge hinter der anderen. Ungezählte Reihen, fast methodisch angeordnet, so weit das Auge reichte.
    Wenn der Wind tagsüber günstig wehte, kramte ich meinen Paraflexdrachen, eine Art Schleppsegel, aus dem Rucksack. Mit geübten Handgriffen enthedderte ich rasch die vielen Nylonschnüre und brachte den Windvogel, der in der Luft eine Spannweite von fünf Metern hatte, in Position.
    Bereits viele Monate vor meiner Saharawanderung hatte ich an Dänemarks Nordseeküste den Umgang mit einem Paraflexdrachen trainiert. Zur Belustigung vieler Spaziergänger war ich auf Langlaufskiern über den kilometerlangen Strand gelaufen, unterstützt von einem windgeblähten Schleppdrachen, der mich und meinen Rucksack voranzog, was nicht immer elegant aussah. Manchmal konnte ich mit dem Drachen kaum Schritt halten, verlor gelegentlich sogar den Halt und legte mich lang. Mehr als vierzehn Tage brauchte ich, ehe ich »den Dreh« raushatte und meine Skier auf gerader Spur halten konnte, während mich der stablose Lenkdrachen unterstützend voranzog.
    Auf diese Weise konnte ich in der Sahara manch günstige Winde nutzen, um in der Wüste »Segel zu setzen«. Durch Armschlaufen und ein gekreuztes Zuggeschirr, das ich an meinem Oberkörper festgezurrt hatte, war ich mit dem Drachen verbunden, der etwa fünf bis sieben Meter über mir im Wind stand und mir meine Langlaufschritte erleichterte. Auch das Gewicht von Körper und Rucksack spürte ich durch die Zugkraft des Drachens viel weniger, während ich im kontrollierten Gleitschritt darauf achten musste, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Denn wenn mein Langlaufschritt nicht das richtige Timing zum Zugsegel fand, der Wind zu stark blies oder unvermittelt abflaute, kam ich keinen Meter voran – oder drohte zu Boden zu fallen.
    Gleichwohl schaffte ich im Gleichschritt mit dem Schleppdrachen mal 20, mal 30, mal 40 Kilometer. Einmal legte ich sogar eine Distanz von fast 70 Kilometern zurück. Eine Strecke, auf der ich halb Flug-, halb Erdenmensch war, der auf seinen Skiern durch den weichen Pulversand marschierte. Fast immer erreichte ich die geplanten Etappenziele (Brunnen oder Oasen), sodass auch meine Wasser- und Proviantversorgung gesichert war.
    Wie in einem Traum tauchten manchmal ein paar Menschen mit ihren Tieren am Horizont auf. Gestalten, die, in feinen Sandnebel eingehüllt, dahingingen. Kleine Karawanen, die lautlos und langsam durch die Weite zogen. Manchmal sah ich drei oder vier Kamele, meist schwer beladen mit Körben, Decken und großen Satteltaschen. Daneben ein paar Schafe oder Ziegen. Manchmal waren es einzelne Männer, ein anderes Mal kleine Familienverbände, die scheinbar unsichtbaren Spuren

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