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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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überspült. Wir durften bei dem Seegang nicht quer kommen. Auf keinen Fall quer zu den Wellen. Waren es schon Brecher? Ja, vereinzelt. Das reichte. Machtlos sah ich zu, wie der Mast andauernd (fast) in die kochende See stach. Dachte bei der Schräglage (vielleicht 90 Grad) nur an festhalten, festhalten. Und bloß nicht den Mast verlieren. Dachte, dass kathena faa aus England stammte, wo sie etwas von Bootsbau verstehen. Es würde schon gutgehen.
    Die extreme Schräglage hatte nur Sekunden gedauert, vielleicht fünf. Die nachfolgende Welle richtete uns wieder auf. Der Mast stand. Langsam floss das Wasser ab – vom Deck, aus dem Cockpit, aus dem Ölzeug. Wie konnte der Mast so tief sinken? Die Frage beschäftigte mich.
    Nach einem Tag mit starkem Sturm und einem weiteren mit Orkan war die See weiß, und die Luft war weiß von Gischt. Ich atmete Salz.
    Astrid meldete sich: »Alles in Ordnung?«
    Mich interessierte nur der Druck: »Steht fest.«
    Der 25. Tag: Ich lasse mich und das Schiff treiben. Vom Gefühl her war es das. Es ist zwar noch kein Segeln möglich, aber das Schlimmste ist vorbei. Ich steige unter Deck. Müde.
    »Kym hat die ganze Nacht geschlafen«, hörte ich.
    »Und du?«
    Eine Antwort erwartete ich nicht. Wichtiger war: Das Barometer stieg. Das bedeutete, noch einen halben Tag, und die Front wäre durch. Zittrig klopfte ich noch mal aufs Glas: steigend. Das waren 22 Millibar unter Normaldruck.
    Zwei Tage später hörten wir im Radio die Stimme Amerikas : »Taifun Kim raste mit 180 Stundenkilometern über Manila. Es war der bisher schwerste Taifun der Saison.« Ironischerweise hieß der Taifun auch noch Kim!
    31 Tage lagen hinter uns, als wir vor Davao auf Mindanao ankerten. Kym war nicht zu halten, er stand an der Reling wie ein Boxer, der bereit für den Kampf ist. Kaum an Land, drehte er schnell ein paar Runden: Die Muskeln wollten bewegt werden.
    Nach ein paar Tagen Atempause warfen wir die Leinen los. Vor uns lagen die Sulu-Inseln. Da mussten wir durch. Indes: Dort kämpften die Muslim-Rebellen gegen die Truppen der Philippinen – Koran gegen Kreuz. Wegen der Gefahr segelten wir nachts in einem Gewässer, das gespickt ist mit Riffen und anderen Untiefen. Als wir durch waren, glaubten wir, es geschafft zu haben. Doch nördlich von Borneo folgte uns im Abstand von einer knappen Meile ein großes Fischerboot und kam kontinuierlich näher. Plötzlich klatschten dicht neben kathena faa Kugeln ins Wasser. Es wurde auf uns geschossen! Wir konnten es nicht glauben, schließlich hatten die »Fischer« doch ein Netz im Schlepp. Wieder folgten Einschläge im Wasser. Ich zögerte keine Sekunde, startete die Maschine, und mit voller Leistung – Segel plus Schraube brachten immerhin siebeneinhalb Knoten – rauschten wir davon.
    Nicht lange, da legten auch sie zu und holten auf. Es waren unzweifelhaft Piraten. Salven pfiffen uns um die Ohren. Wir resignierten. Bargen alle Segel und stoppten den Diesel. Ein Streifschuss erwischte mich am Bein, ein anderer prallte vom Anker ab. Astrid stürzte mit einem weißen Bettlaken an Deck. Der fünfjährige Kym weinte. Er spürte, dass dies kein Spaß war. Die Piraten kamen näher. Wir zeigten uns alle drei an Deck. Eine harmlose Familie, keine Schmuggler. Ich sollte zu ihnen an Bord kommen, wurde uns bedeutet. Ich sprang ins Wasser und schwamm rüber. Eine Handvoll Männer mit Gewehren erwartete mich.
    Der Fischdampfer war unbeschreiblich dreckig. Ich hatte Angst, barfuß an Deck kleben zu bleiben. Ein Kerl zog mich am Ohr zum Ruderhaus. kathena faa wurde in Schlepp genommen. Zwei Männer, ebenfalls bewaffnet, stiegen zu Astrid an Bord, und es ging Volldampf voraus. Der Schiffsname an Bug und Heck war mit Tuchplanen verhängt. Nur Manila als Heimathafen war erkennbar.
    Nach einer Stunde Schleppfahrt passierte etwas. Der Kapitän stürzte aufs Deckhaus und schaute durchs Fernglas. Das Glas wanderte von Hand zu Hand. Hastige Worte flogen durch die Luft. Ich hörte was von Polizei. Dann ging alles sehr schnell. Astrids Bewacher wurden zurückgerufen, man kappte die Leine zur kathena faa , und ich musste wieder ins Wasser springen, um mein Boot zu erreichen. Das Piratenboot dampfte mit voller Kraft davon. Wir auch, in entgegengesetzter Richtung. Benommen hockten wir an Deck. War wirklich alles vorüber?
    Es folgte ein wunderschöner Tag mit leichtem Wind und wolkenlosem Himmel. Wir ankerten gegenüber einem Dorf auf der Insel Tigabu. Die Bewohner schenkten uns

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