Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Früchte und Hühnereier. Doch wir hatten Schwierigkeiten, uns zu entspannen. Wir scharrten mit den Füßen im Sand, ließen unser Boot nicht aus den Augen. Die Unbefangenheit war dahin. Wir schilderten unser Malheur einem Funker der Sabah-Polizei auf der Insel, der die Bewegungen der Piraten in der Sulusee beobachtete. Nach seiner Meinung waren es Filipinos gewesen.
Lustlos hangelten wir uns die Westküste von Borneo hinunter. Die große Begeisterung war erst mal futsch, denn inzwischen wussten wir, dass es auf unserem Kurs rund um Singapur, Thailand, in der Andamanensee und im Roten Meer auch Piraterie gab.
Die Stimmung an Bord blieb angespannt. Nein: Unsere Reise war nicht, wie erhofft, eine einzige Spazierfahrt durchs Paradies. Öfter als sonst schrieb ich Privates ins Tagebuch:
Astrids Zustand ist erbärmlich. Seekrankheit plus mangelndes Selbstvertrauen. Plus innere Unruhe. Ich bin sicher, aber auch beschämt, dass ich ihr mit dieser Fahrt das Segelleben endgültig verleidet habe.
Mit Bleistift, um es radieren zu können, fügte ich hinzu:
Ich vermute, in einem Haus renkt sich alles wieder ein. Ein zerbrochenes Wir wird es nicht geben.
Als sich einmal ein schwarzer Seevogel auf dem Schiff niederließ, verscheuchte sie ihn mit einer Wildheit, die mich bestürzte. Kämpfe haben wir nicht miteinander ausgetragen. Sicher krachte es schon mal für wenige Stunden und oft im Zusammenhang mit Ereignissen an Land. Auf See dagegen nie. Da gab es auch nichts zu diskutieren, es wurden die Entscheidungen des anderen akzeptiert. Manchmal schweren Herzens.
Dann wurde alles doch noch einmal geheimnisvoll und leicht. Wir besuchten malaysische und thailändische Inseln mit schattigen Buchten und steil aufragenden Felswänden. Schwimmen, tauchen, Muscheln suchen und spielen. Wir segelten und lebten.
Kunafoldu auf den Malediven war unsere letzte tropische Insel. Ein Atoll zum Ausklang dieser Südseereise. Die Insel hatten wir für uns ganz allein. Logisch. Doch leider hatten wir keine unbegrenzte Zeit mehr für Paradiese: Kyms erster Schultag rückte näher.
Daher folgten nur noch See- und Hafentage im Roten Meer, Suezkanal, Mittelmeer. In Griechenland und Italien gab es Yachten über Yachten. Etwas hämisch registrierten wir: »Rechts und links nur noch Fly und Charter. Die Armen.« Wir wurden zu einem Glas Wein eingeladen, wobei meine mittlerweile verheilte Schussverletzung Aufmerksamkeit erregte. Doch letztlich versackten die Konversationen im Trivialen. Wie viel Wasser könnt ihr bunkern? Zu wenig. Wo hat es euch am besten gefallen? Likiep, ein Atoll und Ko Phi Phi, eine Felseninsel. Wart ihr krank? Nie ernsthaft.
Kym, inzwischen fast sieben Jahre, mischte sich auch gerne ein: »Palstek kann ich, meine Schuhe zubinden nicht.« Wie auch? Zu selten hatte er welche getragen.
Astrid schwärmte: »Zu gerne würde ich in einem Badezimmer mit Heißwasser und vorm Spiegel rumrumoren.«
Mein Beitrag »Wir sind reif fürs Trockendock« wurde belacht.
»Was, ihr wollt nach Deutschland zurück? Bloß nicht! Alles ist schwieriger geworden. Arbeit, Lohn, Preise. Ihr werdet nicht zurechtkommen.«
In Beaulieu an der Côte d’Azur machten wir kathena faa fest und brachten das Schild »A VENDRE« an. Zu verkaufen. Dann setzten wir uns in einen Zug nach Düsseldorf, dem neuen Sehnsuchtsort. Bald würden wir wieder Schecks brauchen.
Der Sehnsucht freien Lauf lassen – von Petra nach Leptis Magna
Achill Moser
Dennoch gibt es Landschaften, die der Tyrannei der Zeit zu entrinnen scheinen und sich fast unberührt erhalten: Sie allein sind in der Lage, auch den mattesten Seelen jenen Schauder und jene Trunkenheit zu geben, die sie auf immer verloren glaubten.
Isabelle Eberhardt, Sandmeere
Es war ein verdammt langer Weg zu jenen Orten, die seit frühester Jugend meine Sehnsucht weckten: Timbuktu, Ghadames, Leptis Magna, Dilmun, Murzuk, Merowe, Karakhoto und Petra. Allesamt Wüstenorte, um die sich seit undenklichen Zeiten Sagen und Legenden ranken. Orte voller Magie, Mystik und untergegangener Weltgeschichte, die Jahrhunderte überdauert haben.
Manche dieser Sehnsuchtsorte, zu denen es mich magisch hinzog, waren eine Enttäuschung, weil die Realität nicht viel mit dem zu tun hatte, was ich mir erhoffte. Andere hielten, was der geheimnisvolle Klang ihrer Namen mir suggerierte.
Immer war es die Stimme der Sehnsucht, die mir Neugier, Lust und Mut einhauchte, ehe sie mich antrieb, auf Reisen zu gehen. Kein Zweifel, Sehnsucht ist
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