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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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der Motor, um dem Trott des Alltags, den selbstauferlegten Zwängen und der Gefahr der Selbstzufriedenheit zu entwischen. Sehnsucht ist eine Art Tür, durch die meine Seele hinaus in die Fremde schlüpft, um Erfahrungen zu machen, die man in der gewohnten Welt nie machen würde. Sehnsucht ist der Atem, den ich für einen neuen Weg brauche. Und Sehnsucht ist ein wunderbares Gefühl, das mich immer wieder zu kleinen oder großen Fluchten verführt.

Eine schmale Schlucht führt in den Bergen Jordaniens nach Petra, die einstige Metropole der Nabatäer.

Auf der Liste meiner Sehnsuchtsorte zählen besonders zwei Stätten zu den absoluten Höhepunkten, die alle meine Erwartungen und Wünsche bei weitem übertroffen haben. Zwei Orte im Wüstenland. Zum einen das im Norden Libyens liegende Leptis Magna, das Rom Afrikas, wo Mittelmeer und Sahara aufeinandertreffen. Und Petra, das in Wüste und Vergessenheit versunkene orientalische Atlantis, das Jordanien zu großem Ruhm verholfen hat.
    Nach Petra, zu der geheimnisvollen Hauptstadt der Nabatäer, kam ich auf dem Rücken eines Kamels, mit dem ich durch eine schmale Schlucht im Ash-Shara-Gebirge ritt, die Sik genannt wird. Kein Auto darf durch diese Schlucht, deren überhängende Felswände respekteinflößend wirkten und nur wenige Meter breit waren. Gleich hinter dem schmalen Durchlass sah ich jenen berühmt gewordenen Säulentempel, der einst in eine hohe Felswand gemeißelt wurde und als »Schatzhaus« bezeichnet wird. Ein einzigartiges Bauwerk nabatäischer Steinmetzen: Vor fast 2000 Jahren haben sie das Prunkgrab des Königs Aretas IV., unter dessen Herrschaft das Nabatäer-Reich eine Zeit hoher Blüte erlebte, aus dem roten Sandstein gehauen. Der Name rührt daher, dass Beduinen hier einen sagenumwobenen Schatz vermuteten, der in einer Urne am Giebel des Prachtbaus versteckt sein sollte. Doch gefunden haben sie nichts.
    Als ich durch den schmalen Felszugang in die uralte Ruinenstadt kam, war das eindrucksvolle Felsmausoleum nicht nur dekorativer Auftakt zu einer Entdeckungstour in die Vergangenheit, es war auch der Anstoß, um mich in jene Zeit zurückzuversetzen, als der Schweizer Forscher Johann Ludwig Burckhardt im Sommer 1812 als erster Europäer in das verborgene Königreich der Nabatäer kam.
    Burckhardt war damals zwischen Damaskus und Kairo auf der »Straße der Könige« unterwegs, als er von alten Ruinen hörte, die in einer unzugänglichen Bergfestung liegen sollten, unweit der Grabstätte von Moses’ Bruder Aaron, der einst am Berg Sinai das Goldene Kalb goss. Dieser dürftige Ortshinweis reichte aus, um den neugierig gewordenen Schweizer in den wüstenhaften Westen Jordaniens zu führen, wo sich der Dschebel Harun befindet, nach Meinung von Forschern der Berg Hor, wo laut der Bibel Aaron starb.
    Auf seinem Weg dorthin gab sich Burckhardt als Scheik Ibrahim aus, der nach langen Studien zum Islam übergetreten war. Er behauptete, an der Kultstätte Aarons opfern zu wollen, und gelangte schließlich zu jenem versteckten Schluchteingang, hinter dem sich ein großer Talkessel aus roten Felsen in 950 Meter Höhe weitete. Hier fand Burckhardt die Ruinen der verschollenen Stadt Petra, die über 600 Jahre im Verborgenen gehalten wurde.
    Noch heute gilt Petra als verwunschene rosarote Zauberstadt, die kunstvoll aus den weichen Sandsteinfelsen der Ash-Shara-Berge herausgearbeitet wurde. Über zwei Jahrtausende haben sich hier die Überreste von Tempeln, Palästen, Wohnungen, Gasträumen und Grabdenkmälern der Nabatäer erhalten. Folglich ist Petra kein kleines Ausgrabungsfeld, sondern ein Kulturdenkmal, das einen Einblick in jene längst vergangene Zeit gibt, als die Stadt ein wichtiger Knotenpunkt an der »Weihrauchstraße« und am »Königsweg« war.
    Alte Schriften berichten, dass die Nabatäer arabische Nomaden waren, die sich im 5. Jahrhundert v. Chr. in der Region um die Ash-Shara-Berge ansiedelten. Später, so um die Zeitenwende herum, entfalteten sich die Nabatäer zu einem hochentwickelten Kulturvolk. Und als die reiche Wüstenmetropole im Jahre 106 zur römischen Provinz wurde, bestimmten die Nabatäer und Römer lange Zeit die Geschicke dieser Region, was sich auch auf die Baukunst von Petra auswirkte: Wieder entstanden phantastische Tempel und Grabstätten.
    Erst als die Römer ihren Handel auf dem Roten Meer ausweiteten und die großen Karawanen neue Wege suchten, verlor Petra an Einfluss. Und nach dem Niedergang des Römischen Reiches versank die

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