Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Flügeln schreiend nach unten. Einen Augenblick später flogen sie mit einem zappelnden Etwas im Schnabel empor. Wie weit können Möwen fliegen? Mitten auf dem Ozean habe ich keine angetroffen, aber Hunderte von Meilen vor einem Landfall tauchten sie oft auf und signalisierten kreischend, dass das Festland nicht mehr weit ist.
In der Nähe der Kokosinsel im Pazifik beobachtete ich etwas Bemerkenswertes. Kaum hatte sich eine Möwe mit einem Fisch im Schnabel von den Fluten erhoben und in die Luft geschwungen, schlug einer der großen, schwarzen, unheimlich aussehenden Fregattvögel sofort die Flügel zusammen und stürzte sich wie ein Geschoss auf den Vogel. Durch den Überfall erschreckt, ließ dieser den Fisch fallen, und der Fregattvogel schnappte sich blitzschnell die Beute. Es passierte nicht ein einziges Mal, dass der Fregattvogel sein Ziel verfehlte.
Einmal, als wir nach einer Nacht gegen den Wind in Vanikoro angekommen waren, legten wir uns vor Anker in einer Bucht, so schön wie ein noch nicht ausgepacktes Geschenk. Der Sandstrand lag breit und einsam im Schatten von Kokospalmen. Das Wasser unterm Schiff war hellblau, und der Blick über die blau-türkis-braun gefleckte Lagune ließ die Mühen beim Ansteuern und Auffinden der Riffpassage vergessen. Fregattvögel standen angriffslustig in der Luft, sie fühlten sich durch uns beim Räubern gestört. Wieder einmal verschafften sie sich ihre Nahrung, indem sie anderen Seevögeln die Beute abjagten. Daher werden sie auch Piraten des Tropengürtels genannt. Sie fliegen hoch oben, schweben beinahe ohne Bewegung der langen Flügel und heben sich mit diesen sowie den langen tief gegabelten Schwanzfedern als unverwechselbare Silhouetten gegen den blauen Himmel ab. Für mich sind sie die schönsten Seevögel. Da sie selten weiter als 100 Meilen vom Land entfernt auftauchen, waren sie in der GPS-losen Zeit ungemein nützlich bei der Ansteuerung kleiner Inseln.
Mitten auf allen Ozeanen in den Tropen zeigt sich manchmal der märchenhaft schöne Tropikvogel. Man hört ihn schon von weitem, denn während des Fluges, der mich an wilde Tauben erinnert, klatscht er laut schallend mit den Flügeln. Das metallfarbene Gefieder funkelt in der Sonne, und seine langen Schwanzfedern gleichen hinterhergezogenen Bändern. Bei einigen glänzten sie in wunderschönem Purpurrot.
Ich begegnete aber auch Vögeln, die sich an Bord niederließen, um sich zu erholen. Sturmschwalben oder Tölpel. Das war jedes Mal eine Freude. Im Nordatlantik hatte sich einmal ein »Mitsegler« an Bord meines Bootes eingerichtet. 500 Meilen von Irland entfernt war mir eine stahlblaue, beringte Taube zugeflogen. Sie lebte im Cockpit, fraß meinen gekochten Reis und machte gelegentlich kurze Ausflüge ums segelnde Boot. Dabei hatte sie Probleme, auf dem Heckkorb zu landen. Sie konnte unsere Geschwindigkeit nicht berücksichtigen. Ich taufte sie »Schippy« nach einer Freundin, die auch so rund und hübsch ist. Die Taube wurde immer zutraulicher. Wenn ich sie rief, kam sie angewatschelt, fraß sogar Haferflocken aus der Hand und ließ sich streicheln. Sie war damals für mich das erste Lebewesen nach 256 Tagen auf See. Ich war glücklich mit ihr. Nur dass sie unbedingt in die Kajüte wollte, gefiel mir nicht. Mir reichte nämlich schon das vollgeschissene Cockpit. Da ich jedoch den Eindruck hatte, dass es ihr draußen zu kalt war, baute ich einen kräftigen Käfig aus Karton und sperrte sie in die Hundekoje. Das ließ sie ganz willig und ohne Spektakel geschehen. Still und geduldig übernachtete sie dort, bis ich sie morgens wieder an Deck ließ. Am 260. Tag war’s mit der Geselligkeit leider vorbei.
Ich bin ganz unglücklich. Schippy ist fort. Gestern, während ich die Cockpitbänke schrubbte, flog meine Taube wie üblich ein paar Runden und drehte dann auf Nimmerwiedersehen Richtung Irland ab. Ein Tag und eine Nacht, und sie ist an Land. Ich? Ich habe noch fast zwei Wochen vor mir. Fliegen müsste man können.
Es fehlen noch die Albatrosse. Wer durchs Südpolarmeer segelt, hat sie immer nahe, als Weggenossen, als Vertraute. Mit rund drei Metern Flügelspannweite sind sie ja nicht zu übersehen – die Weltrekordler der Seevögel. Unermüdlich schweben sie über das endlose Südpolarmeer. Gewiss sind sie die ausdauerndsten und besten Segler der Welt, dazu imstande, Tausende von Meilen ohne einen Schlag ihrer Flügel zurückzulegen. Trotz ihrer ungeheuren Größe schweben sie mit einer solchen
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