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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Leichtigkeit in der Luft und lavieren sich so schnell und geschickt ums Boot herum und zwischen den Segeln hindurch, dass ich sie schwerlich ins Bild kriege, wenn ich sie fotografieren will. Voraussetzung ist genug Wind. Sonst setzen sie sich aufs Wasser, lassen sich von den Wellen schaukeln und beobachten das Boot.
    Meist sind es Wanderalbatrosse. Sie sind wie ich Einzelgänger, selten kommen sie in kleinen Gruppen. Doch die Perfektion in der Luft hat ihre Tücken, denn bei Start und Landung haben sie Probleme. Da erweisen sich die extrem langen und schmalen Flügel als Hindernis. Schnell schlagen können sie damit nicht. Also kotzen sie sich vor dem Start aus, um leichter zu werden. Und wenn sie auffliegen, laufen sie auf den Wellen wie Gänse oder Schwäne.
    Einmal hatte ich mir eigentlich vorgenommen, für die Nachtwache vorzuschlafen. Stattdessen lag ich auf dem Brückendeck und beobachtete einen Albatros. Stunde um Stunde. Ich hatte das Gefühl, dass er schon seit Tagen mein Weggefährte, mein Hetairos, war. In mein Tagebuch notierte ich:
    Ein Albatros wird beinahe so alt wie wir Menschen. Sein ganzes Leben segelt er ohne Flügelschlag hoch über der See, sackt nur ab, um Aufwind zu finden. Kehrt spitz zum Schiff zurück, schießt gegen den Wind beinahe lotrecht hinauf und gleitet in einem langen Schwung wieder auf die Wogen herab, die Flügelspitzen nur wenige Zentimeter über einem brechenden Kamm, ohne ihn zu berühren. Und ab geht’s ins nächste Wellental. Sehe nur das weiße Kreuz auf dem Rücken. Das Weiß hebt sich deutlich ab vom Meergrau. Es sind Wanderalbatrosse mit hellgelben Streifen an ihren Schnäbeln. Die Köpfe sind grau. Die Augen weiß umrandet. Das verleiht ihrem Blick einen dämonischen Ausdruck, der durch die mächtigen, langen und kräftigen Schnäbel noch verstärkt wird. Sie blicken mich an, wie Tiere einen eben ansehen.
    Auf dem Ozean ist es ziemlich lebhaft unter der Wasseroberfläche. Am Anfang meiner Segeljahre sah ich täglich mindestens einen Fisch am Boot: entweder fliegende Fische, Makrelen, Lotsenfische, Doraden. Natürlich waren Delfine darunter – in Gruppen, selten einzeln. Während meiner letzten Ozeanfahrt war das nicht mehr so. Zum einen wohl, weil ich schneller segelte (wer langsam segelt, sieht mehr), zum anderen weil auch einiges von den über alle Meere verstreuten Trawlern weggefischt wurde.
    Ich gehöre nicht zu den Fischern. Wegen meiner Fischallergie brauchen diese Tiere sich nicht vor mir zu fürchten. Vielleicht begleiteten sie mich deshalb streckenweise über Tage hinweg. Teils zum Anfassen zutraulich, jedenfalls an Bord der ersten kathena . Langsame Fahrt und wenig Freibord waren die Ursache dieser ungewöhnlichen Nähe, die ich nie wieder erlebt habe. Selbst bis in die Koje schafften es die fliegenden Fische in dunkler Nacht. Auf der Flucht können sie bis zu 100 Meter fliegen. Sie werden nämlich von den Großen, den Thunfischen, den Makrelen gejagt.
    Ganz andere Erfahrungen kann man mit Walen und Haien machen. Ein Wal rammte uns mehrfach längsseits, und ein Hai stieß mit seinem Körper vierkant gegen unseren Rumpf. Das schadete uns nicht, denn wir waren mit einem Stahlboot unterwegs. Beim Schwimmen in der See benutzte ich Schwimmflossen, um einem Hai schneller entwischen zu können. Es ist ja nicht so, dass ein Hai gleich auf einen Menschen zuschießt, meist kreist er sein Objekt erst ein, bevor er zuschnappt. Diese Vorgehensweise habe ich sogar bei seinen Fischraubzügen beobachtet. Die Ausnahme sind kranke, verletzte Tiere, die sich sofort auf alles stürzen.
    Mein ständiger Begleiter ist natürlich das Logbuch.
    Ein wesentlicher Aspekt ist für mich die Dokumentation des Erlebten. In Zahlen und Worten. Diese Kombination ist unschlagbar für mich. Vor über 40 Jahren habe ich mit einem Kassenbuch im DIN-A4-Format angefangen. Jedem Tag widmete ich mindestens eine Seite. Die obere Hälfte galt dem Seemann und »Nautiker« Erdmann: Hier fügte ich die wichtigen Daten in eine Tabelle mit säuberlichen Trennstrichen ein. Die untere Hälfte galt dem Menschen Wilfried Erdmann – für lockere, spontane Anmerkungen über Gefühle, Gedanken, Begebenheiten und so weiter. Bei diesem System bin ich bis heute geblieben. Das vergleichsweise großformatige Logbuch war auch auf meinen Jollenreisen dabei. Sozusagen meine Segelfreundin, bei der ich alles loswerden konnte, ohne dass sie nörgelte.

Unterwegs mit dem Weltmeister im Wassersparen
    Achill Moser
    Gib

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