Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
mir ein weißes Kamel, einen Sattel, ein Zelt, und ich bin ein glücklicher Mann.
Altes Wüstenlied der Tuareg
Niemals bin ich in eine Wüste gereist, nur um irgendwo anzukommen. Das Unterwegssein als Nomade, dessen Hab und Gut in den Satteltaschen seines Lastenkamels steckt, begeisterte mich vom ersten Augenblick an, als ich in die Wüste kam. Damals war mir sofort klar, dass ich neben dem Gehen auch Kamele benötigte, die auf längeren Reisen den Proviant, die Wasservorräte und die Ausrüstung transportierten. Ohne sie wäre die Erschließung vieler Wüsten gar nicht möglich gewesen. Denn wo Esel, Pferde oder Zugochsen versagten, nutzten die Wüstenvölker das Kamel als Lasttier, mit dem sie seit Tausenden von Jahren unglaubliche Entfernungen zurücklegen, um Hirse, Datteln, Zucker, Tee, Gewürze oder Salzplatten in die Oasen zum Verkauf oder zum Tausch zu bringen.
Selbst frühe Wüstenreisende wie Heinrich Barth, Gerhard Rohlfs, Lawrence von Arabien, Wilfred Thesiger, Pierre Loti und Sven Hedin hatten auf ihren Forschungs- und Entdeckungsreisen nur selten auf Kamele verzichtet, wussten sie doch: Ohne das Wüstenschiff gab es für die Menschen der Ödnis kein Überleben. Denn das Kamel ist ein Weltmeister im Wassersparen und kann in fünfzehn Minuten bis zu 200 Liter saufen. Mit diesem Vorrat kommt es auf langen Hunger- und Durststrecken bis zu 20 Tage aus. In großen Trockenperioden kann es sogar sein Fett im Höcker als zusätzliche Energiereserve nutzen, wobei die im Fett chemisch gebundene Flüssigkeit freigesetzt wird. Bei einem solchen Abbau des Energiespeichers benötigt das Kamel allerdings viel Sauerstoff, muss also viel atmen, sodass eine Menge Flüssigkeit durch Mund und Nieren entweicht. Bis zu 25 Prozent seines Körpergewichts kann ein Kamel bei solch einem Flüssigkeitsabbau verlieren, ohne Gefahr für den eigenen Organismus.
Kamele sind beim Unterwegssein im Ozean der Wüste zuverlässige Begleiter und hilfreiche Transportmittel.
Ebenso erstaunlich ist, dass ein Kamel nicht schwitzen kann. Steigt die Außentemperatur über 36,5 Grad, kann das Tier seine Körpertemperatur bis auf 42 Grad erhöhen. Die Nüstern werden dabei zu einer Art Klimaanlage, während die Nasenschleimhäute das Wasser aus der ausgeatmeten Luft zurückgewinnen. Im Gegensatz zum Menschen, der seinen Wärmestau durch Schwitzen abbaut und dadurch bei erhöhten Temperaturen viel Flüssigkeit abgibt, verdickt sich das Blut eines Kamels auch bei einer großen Überhitzung nicht. Und nachts sinkt die Körpertemperatur wieder auf 34 Grad, als hätte das Kamel einen angeborenen Thermostat eingebaut, sodass sich die Hitze im Körper niemals staut.
All diese außergewöhnlichen Eigenschaften machen das Kamel für die Wüste zum idealen Überlebenskünstler. Kein anderes Tier hat sich physiologisch so sehr an das wüste Extremland angepasst, und kein anderes Tier zeichnet sich schon durch seine eigentümliche Physiognomie für ein Leben in großer Kargheit aus. Der Körperbau ist plump und schwerfällig. Der Kopf, der meist horizontal ausgerichtet ist und wie ein schmaler Grat wirkt, bietet der Sonne nur wenig Angriffsfläche. Der lange Hals ist mit kräftigen Muskeln durchzogen, bewegt sich wie eine Hebebühne und streckt den Kopf aus dem Bereich der Sandstürme, die oftmals nur in einer Höhe von zwei Metern über den Boden fegen. Die großen Augen werden von langen Wimpern geschützt, die bei Sturm das Eindringen von Sand verhindern. Auch die Nase, die zu schlitzförmigen Nüstern geformt ist, besitzt einen Muskel, der die Öffnungen bei einem Sandsturm sofort schließt. Die gespaltene und fleischige Oberlippe ermöglicht das Abreißen dorniger Zweige. Der enorme Speichelfluss schützt das Maul beim Zermalmen knorriger Äste vor Verletzungen. Dicke Knorpelflächen an Knien und Ellenbogen bewahren die Gelenke beim Sitzen vor der Bodenhitze. Auch die langen, staksigen Beine halten den Körper beim stetigen Laufen von den heißen Luftschichten am Erdboden fern. Und die tellerförmigen Füße, deren Sohlen mit dicken Hornschwielen versehen sind, verhindern das Einsinken in weiche Sandflächen. Jede Form hat seine Funktion. Überdies ist das Kamel ein Wiederkäuer mit mehrkammerigem Magen, ist äußerst genügsam und ebenso berühmt für seine Duldsamkeit wie auch für seine Eigenwilligkeit.
Vor allem aber ist das Kamel ein langbeiniger und einzigartiger Passgänger, dessen besondere Fortbewegungsweise mich fasziniert. Ich mag
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